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Gespräche auf dem syrisch-israelischen Gleis

■ Christopher will Früchte seiner Vermittlung in Israels Krieg gegen Libanon ernten

Tel Aviv (taz) – Der in aller Eile ausgehandelte Waffenstillstand zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah hat die Agenda der lange geplanten und vorgestern begonnenen Nahostreise von US-Außenminister Warren Christopher verändert. Es ist nicht mehr nur die Fortführung der festgefahrenen bilateralen israelisch- arabischen Gespräche, die jetzt zur Debatte steht, sondern Schadensbegrenzung nach einer schweren kriegerischen Erschütterung im Nahen Osten.

Nach einem Besuch beim ägyptischen Staatspräsidenten Mubarak in Alexandria ist Christopher gestern zu Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Rabin und Außenminister Peres sowie mit den palästinensischen Delegierten in Jerusalem eingetroffen. Mit Hinweis auf die „Ereignisse im Libanon“ betont Christopher, daß er die Verhandlungsparteien nun schnellstens zu „ernsthaften Entscheidungen“ bringen will.

Noch am gestrigen Tag seiner Ankunft in Israel, spätestens jedoch heute früh, will er darum nach Damaskus weiter fliegen. Er wird dem syrischen Staatspräsidenten Assad eine persönliche Botschaft Rabins überbringen, um dann unverzüglich über Amman nach Jerusalem zurückzukehren. Diese erste Rundreise soll zwar schon bis morgen erste Früchte tragen, auf eine Verlängerung ist man in Washington jedoch vorbereitet. Christopher oder sein Sonderbeauftragter Dennis Ross sollen die „Shuttle“-Mission im Zweifelsfalle weiterführen, damit die elfte Nahostverhandlungsrunde in Washington baldmöglichst und mit Aussicht auf Fortschritte einberufen werden kann.

In seinen ersten Stellungnahmen signalisierte der Emissär aus Washington, daß der „Friedensprozeß“ endgültig zusammenbrechen wird, wenn es jetzt keinen Durchbruch in den Verhandlungen gibt. Wie die jüngsten „Ereignisse im Südlibanon“ zeigen, ist dann die Hölle los.

Just den Palästinensern gegenüber glaubt der amerikanische Außenminister demonstrieren zu müssen, daß er mit seiner Geduld am Ende ist. Das Gewicht von Christophers Gesprächen wurde demonstrativ auf das syrisch-israelische Gleis verschoben: dort ist durch die ausführliche US-Vermittlung um die Bedingungen des Abbruchs der israelischen Offensive im Libanon zumindest „Bewegung“ entstanden.

Nach amerikanischer und israelischer Vorstellung ist die Verlagerung des Gewichts auf Syrien auch die effektivste Methode, die Palästinenser zur Annahme des bisher abgelehnten israelisch-amerikanischen „Autonomie“-Konzepts zu zwingen: ohne Ost-Jerusalem, ohne territoriale Abgrenzung des palästinensischen Selbstverwaltungsgebiets und auch ohne israelische Verpflichtung zur Verknüpfung der fünfjährigen Zwischenlösungsphase mit zukünftigen Verhandlungen über eine definitive Lösung.

Der israelische Außenminister Peres erklärte vorgestern, daß die Palästinenser angesichts ihrer gravierenden wirtschaftlichen Probleme jetzt dringend „etwas Konkretes“ bräuchten. Israel biete ihnen eine pragmatische, rasche und funktionelle Lösung: Übernahme der inneren Verwaltung auf verschiedenen Gebieten, während man über die prinzipiellen Autonomie-Bedingungen und alle anderen Fragen weiter verhandeln müsse.

Wenn erst einmal allgemeine Übereinkunft über die „Autonomie“ bestehe, werde Israel eventuell zu einem Abzug aus dem Gaza- Streifen, dem sogenannten „Gaza first“-Modell, bereit sein, gekoppelt mit einer „symbolischen Verbindung“ des Gaza-Streifens mit der Westbank.

Über die Finanzierung der „Autonomie“, beziehungsweise der einzelnen Verwaltungsgebiete, welche die Palästinenser von Israel übernehmen sollen, hat Ägyptens Präsident Mubarak angeblich bereits mit Christopher verhandelt: die am Anfang erforderliche Summe von 100 bis 200 Millionen Dollar soll auf Washingtons Betreiben von Japan, Europa und Saudi-Arabien, zum Teil auch von den USA selbst zur Verfügung gestellt werden. Ein ähnlicher internationaler Hilfsfonds soll die Libanesen beim Aufbau ihrer zerstörten Dörfer und Städte im Süden ihres Landes unterstützen. Amos Wollin

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