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Keine Schwangerschaftsabbrüche mehr in Weimar

■ Klinik stoppt Abtreibungen / Stadtparlament fordert Rücknahme des Beschlusses

Berlin (taz) – Weimarerinnen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, müssen neuerdings nach Erfurt oder Jena reisen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts führen die ÄrztInnen der städtischen Hufeland-Kliniken keine Abtreibungen mehr durch. Ausnahmen machen sie nur, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist und nach Vergewaltigungen. Außer ethischen Bedenken führt Thomas Kallenbach, Geschäftsführer des Krankenhauses, juristische Gründe an. Seit dem Karlsruher Urteil seien Abtreibungen rechtswidrig, und daran wolle die Ärzteschaft sich nicht beteiligen.

Die Weimarer Politikerinnen reagierten empört. Fraktionsübergreifend forderten sie in der Stadtverordnetenversammlung, die Klinik müsse wieder Voraussetzungen zum Schwangerschaftsabbruch schaffen. Das Parlament stimmte zu, und der Oberbürgermeister forderte das Krankenhaus schriftlich dazu auf. Doch die Klinikleitung fühlt sich nicht verpflichtet, „rechtswidrige“ Anweisungen durchzuführen.

Diese Argumentation sei „ein Hohn für die Frauen“, sagt Marinanne Leunert vom Unabhängigen Frauenverband. „Frauen sind verpflichtet, zum Arzt zu gehen, und deshalb muß das Gesetz das Recht der Ärzte, Abtreibungen durchzuführen, beinhalten.“

Die Hufeland-Kliniken waren in Weimar der einzige Ort, wo Abtreibungen möglich waren. Die andere Klinik der Stadt, das evangelische Sophien-Krankenhaus, hatte auch zu DDR-Zeiten keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Ambulante Eingriffsmöglichkeiten gibt es noch nicht.

„Natürlich kann man Ärzte nicht zwingen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen“, erklärt Marianne Leunert. Sie fordert daher die Einstellung neuer ÄrztInnen. Andernfalls sollten die Hufeland-Kliniken „Räumlichkeiten bereitstellen, so daß niedergelassene Gynäkologen dort Abtreibungen durchführen können“. In Weimar gebe es bereits drei Ärzte, die dazu bereit seien. Für die „neu- entdeckte Moral“ der ÄrztInnen in den Hufeland-Kliniken hat Leunert kein Verständnis. „Auch zu DDR-Zeiten ist niemand gezwungen worden, Abtreibungen durchzuführen. Trotzdem gab es sie.“

Auch die SPD-Stadtverordnete Irmtraut Schmid vermutet andere Gründe. „Die Fusion der Hufeland-Kliniken mit dem evangelischen Sophien-Krankenhaus steht bevor. Das bedeutet Abbau von Ärztestellen.“ Angst um den Arbeitsplatz fördert den Widerspruchsgeist nicht. Irmtraut Schmid sitzt seit kurzem auch im Aufsichtsrat der Klinik GmbH. Dort wollte die Geschäftsleitung gestern abend ein Konzept zur Lösung des Konflikts vorlegen. Sabine am Orde

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