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Familie vor Gericht

■ Streit um Wohnrecht auf Kaisen-Parzelle

Familie vor Gericht

Streit um Wohnrecht auf Kaisen-Parzelle

Wenn eine Frau ihre Tochter samt Schwiegersohn und Enkelkind im Gartenhäuschen auf ihrer Parzelle wohnen läßt, was ist das: ein kostenfreies Mietverhältnis, eine familiäre Gefälligkeit, unwiderruflicher „Nießbrauch“? Die Frage scheint absurd, sie wird aber ganz praktisch, wenn es daum geht: In welche Form darf frau die eigene Tochter samt Schwiegersohn Enkelkind von ihrer Parzelle rauswerfen?

Da Frau N., Besitzerin einer schönen Wasserparzelle an der Munte, den Rauswurf mit ihrer mütterlichen Autorität nicht bewerkstelligen konnte, beantragte sie Prozeßkostenhilfe und bemühte das Gericht.

Die Richter hatten zum Glück gerade Auszubildende zu beschäftigen und die lieferten ein juristisches Gesellenstück ab: eine „familiäre“ Gefälligkeit könne es nicht sein, was sich da entwickelt habe, fanden die heraus, dazu dauert der „verlängerte Besuch“ zu lange an (über drei Jahre). Ein ungeschriebenes Mietverhältnis mit dem gesetzlichen Kündigungsschutz könne es aber auch nicht sein, denn das Gartenhäuschen ist, auch wenn es praktisch als Wohnung dient, weder theoretisch noch rechtlich als Wohnung anzusehen und vermietbar. Einen „wichtigen Grund“ für eine Kündigung braucht es also nicht zu geben.

Einen Nießbrauch konnte das Gericht auch nicht erkennen, so blieb die Konstruktion einer „vorübergehenden Nutzung“, kein gesetzlicher Kündigungsschutz also.

Parzellen-Besitzerin N. glaubte, damit sei sie den Schwiegersohn ab sofort los — Irrtum! Eine dem Wohnungsmarkt angemessene Frist wollte das Gericht der jungen Familie zugestehen. Bis Ende Dezember wäre das gewesen — wenn es zum Urteil gekommen wäre. Dann aber hätte der Schwiegersohn die Chance gehabt, in die Berufung zu gehen, das dauert. Wenn in einem außergerichtlihen Vergleich die Frist bis Juni 1994 gesetzt würde, wäre das also vielleicht schneller als der Gerichtsweg...

Unter Tränen beschwor die Klägerin das gericht, nur das nicht zu tun — aufgrund des illegalen Wohnverhältnisses haben sie nämlich vom Kleingartenverein 'Harmonie' das Wasser abgestellt bekommen, seitdem hole sie ihr Wasser mit dem Eimerchen... „Stimmt nicht“, antwortete der Schwiegersohn, das sei wegen einer defekten Wasserleitung passiert. Tränen auch bei der Tochter, die offenbar zwischen stärkere Mühlsteine geraten war.

„Kann denn der Verein 'Harmonie' einfach das Wasser abstellen, wenn Sie bezahlen“, fragte einer der Richter verständnislos. Die Klägerin willigte schließlich darin ein, bis zum 15.4.94 mit der Familie ihrer Tochter — und das hieß für die: ohne Wasser — auf ihrer Parzelle zu leben, und ersparte es damit dem Gericht, Licht in das Gestrüpp des Streites ums Wasser zu bringen.

Der Schwiegersohn jedenfalls hat nun für einige Monate ein von einem deutschen Gericht verbrieftes Wohnrecht in einem Haus, das rechtlich gesehen keine vermietbare Wohnung ist und auf einer Parzelle, auf er — da er kein Kaisen-Auswohner ist — nicht wohnen darf. K.W.

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