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Die Kurve ins Hypnotische

■ Discjockeys in Bremen (5) — Jens Mahlstedt, Tekkniker im Maxx

Hier scheiden sich die Geister: Techno (und neuerdings auch „Tekkno“) — das ist für die Freunde der leichten Popmuse eher stupides, monotones Gehacke, zu dem's sich allenfalls roboterhaft hampeln läßt; die Gläubigen aber schwören, stehen und tanzen drauf wie entfesselt.

Wie man's dreht und wendet, bleiben dennoch stets vier Viertel, ziemlich barsche und nackte noch dazu, an musikalischer Grundsubstanz übrig und im Raume stehen. Was aber bleibt dem DJ da zu tun? „Daß man das Interesse des Gastes wachhält“, sagt Jens Mahlstedt; „daß man immer versucht, ihn zu fordern und die Kurve nach oben zu treiben“ - bis zu jenem „hypnotischen Zustand“, der zu den Mythen der Techno-Bewegung gehört.

Bewegung? Nicht bloß Modesport? Nein, nein, da sind sich die Bewegten sicher. Mahlstedt, seit sechs Jahren dabei und inzwischen zur DJ-Prominenz im Lande zählend, ist zwar selber „kein Purist“. Aber House und in der direkten Verlängerung Techno „ist nun mal eine der wenigen Musikformen, in der noch was passiert, wo sich was entwickelt.“ Da muß man bloß mal aufs Kleingedruckte achten, auf die Nuancen zwischen den vier Vierteln — und genau das macht der DJ.

„Ich höre musikalisch in alle Richtungen“, sagt Mahlstedt. Viel schwarze Musik, aber auch abgedrehte Filmmusiken z.B. drittklassiger italienischer Horrorfilme. „Wenn es obskur wird und unkonventionell, interessiert es mich.“ Und es inspiriert das nächtliche Schaffen.

Wenn Mahlstedt freitags im „Maxx“ auflegt, unter dem verheißungsvollen Programmtitel „Rush“, dann geraten je nach Stimmungslage auch mal schräge, fiese Töne und Geräusche ins Getriebe. „Ich will das gesamte Gefühlsspektrum der Leute ansprechen“, und das bedeutet, „die Gäste auch mal zu nerven.“

Die ganz Aufgekratzten aber hat auch der DJ nicht mehr unter Kontrolle. Wenn's gar zu hypnotisch wird, ahnt Mahlstedt, ist wohl gelegentlich auch mehr als nur Musik im Spiel: Je nachdem, welche synthetischen Muntermacher im Umlauf seien, mache sich das schlagartig auf der Tanzfläche bemerkbar. Da versagt der lange Tonarm des Diktators. Und mit ihm gehen die Nuancen unter.

Wie gut, daß er dann nicht allein dasteht. Denn Techno aufzulegen, ist Sache eines Kollektivs: Drei bis vier Jockeys braucht's inzwischen, um den lieben langen Abend zu beschallen. Denn der reicht meist bis zum Morgen. Demnächst soll's ganze 48 Stunden rund gehen im „Maxx“. Wenn dann um halb Neun in der Frühe sich die Dauertänzer nochmal aufraffen, wenn der DJ sie ein letztes Mal so richtig fordern kann — dann sind das die Glücksmomente der Bewegung. tom

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