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Laue Party nach starker Show

■ Fünf Jahre auf dem Kiez: Das „Schmidt“ feierte Geburtstag

Auch das Schmidt-Theater scheint von Urlaubssorgen geplagt zu sein. Herr Schmidt jedenfalls war bei der Fernseh-Mitternachtsshow am Samstag nicht dabei. Stattdessen wurde auf einen gewissen Corny Littmann zurückgegriffen, der ihm zwar ähnlich sieht, allerdings weder dicke Puschen noch knallige Schminke zu besitzen scheint. Lilo Wanders war plötzlich Pensionswirtin und hieß Schneider. Frau Jaschke fehlte ganz.

Ob das gutgehen kann? Es kann. Das Special zum Thema Varieté der zwanziger und dreißiger Jahre am Vorabend des fünfjährigen Hausjubiläums verzichtete auf die gewohnten schrillen Effekte, entpuppte sich jedoch als gelungene Mischung aus Talkshow und Nummernrevue. Zwischen Ausschnitten aus der Schmidt-Produktion Cabaret erinnerten sich Experten wie Joe Luga und die Kunstpfeiferin Janet plaudernd wie auch musizierend an die guten alten Zeiten, als es Varietés noch im Dutzend gab. Auf atemberaubende Artistiknummern wurde verzichtet und dafür tief in die Kiste der humorvollen Lieder gegriffen.

Überraschung des Abends war Walter Plathe. Statt als selbstloser Vorabendserien-Landarzt Leben zu retten, erwies er sich als schlagfertiger Sänger. Spontan und witzig interpretierte er als wandelnder Schreck der Kameraleute Couplets von Otto Reutter, bekannt aus dem legendären Berliner Varieté Wintergarten. Mit ausdrücklicher Widmung für Cornelius Littmann sang er „Nehm' Se 'n Alten“. Was er damit nur gemeint haben kann?

Nach der Show die Party: Das Schmidt-Team feierte in seinen Geburtstag hinein. Die anwesenden Massen konnten Stars wie Ulrich Tukur, Charlotte von Mahlsdorf und natürlich Corny Littmann und Ernie Reinhardt zum Anfassen erleben. Das war dann allerdings neben Personal in transsilvanischer Transvestitentracht auch fast schon alles. Elektroman Roberto Capitoni verwandelte sich noch für drei Minuten in einen Neandertaler, der seiner Bogensehne Deep Purple-Klänge entlockt. Zwei offenbar auf der Nostalgiewelle schwimmende Milchgesichter turnten einen akrobatischen Break-Dance und auf dem Kneipentresen verkündeten Coco Caramel und Lotte Trebeis im ständigen Kampf mit der Technik, daß sie schön, aber doof sind.

Zum Glück gab es einen Discjockey, so daß die Gäste tanzend selbst aktiv werden konnten. Klar, daß Jubilare lieber feiern, statt zu arbeiten. Aber hätten nicht doch einige der vielen gratulierenden Kleinkünstler und -künstlerinnen quasi als Geburtstagsgeschenk auf die Bühne steigen können?

Werner Hinzpeter

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