piwik no script img

Total übergezappt

■ Das Pferd wird krank oder: Die Fernbedienung fordert ihre Opfer

Ich weiß nicht, was mit mir los ist – obwohl ich inzwischen Abend für Abend bis zu fünf Spielfilme sehe, kapiere ich selbst die einfachsten Handlungen nicht. Und dabei bin ich doch, nicht zuletzt dank der modernen und bequemen Fernbedienung, ein versierter Diagonal- Zuschauer!

Neulich abend zum Beispiel wollte ich mir einmal ganz ruhig und konzentriert einen Film mit Anthony Peck oder Joan Austen ansehen oder wie diese Typen heißen. Der Film hieß glaube ich – na, ist ja auch egal. Ich hab' jedenfalls auf den Bildschirm gesehen und – ziemlich fassungslos – versucht mir klarzumachen, was da eigentlich los war: Jemand kam ins Zimmer oder auf die Veranda, um seiner Mutter oder ihrem Vater mitzuteilen, daß Richard oder Mildred sie oder ihn wegen eines gewissen Robertson beziehungsweise wegen dessen Schulfreundin verlassen wolle, und meinte, Grandma oder Grandpa oder Reverend Silverstone von der Baptist oder Pentecostel Church könne sich ja wohl vorstellen, wie das auf die Kinder wirke. Außerdem sei das Pferd krank.

Dann wollte Fred Murphy den Opferstock ausrauben und schloß sich in der Pentecostel oder Chuckatanee Church ein, die samt Inhalt abbrannte, was den Sheriff auf den Plan rief. Der mußte aber erst das Pferd tanken und wäre sowieso zu spät gekommen, weil er gerade bei der Beerdigung seiner Amme in Shuttlefield, Georgia, war. Governor Morgan sprach sich im Wahlkampf für die Todesstrafe (allerdings nur für Farbige) aus, weil der Ku-Klux-Klan ihm drohte, sein Pferd zu vergiften, das Thunderbird hieß und ziemlich teuer war, und seine Tochter Daisy schien gegen den ausdrücklichen Wunsch ihrer Erbtante Helen etwas Schlimmes mit Gregory Perkins anfangen zu wollen.

Zum Schluß mußte das Pferd erschossen werden, und die Kinder weinten und wollten den Truthahn nicht essen. Für wen oder was kann das gut sein? Theodor Weißenborn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen