: Neuer Krieg im Tschad?
■ Unruhen im Osten weiten sich auf die Hauptstadt aus / Ausgangssperre
N'Djamena/Berlin (AFP/taz) – Die Regierung des Tschad hat eine nächtliche Ausgangssperre im ganzen Land verhängt, nachdem am Sonntag in der Hauptstadt N‘Djamena bei Auseinandersetzungen zwischen Tausenden von Demonstranten und der Polizei nach offiziellen Angaben 41 Menschen getötet wurden, davon 34 Demonstranten. Laut dem Regierungserlaß über die Ausgangssperre wurden alle religiösen oder Stammestraditionen folgenden Demonstrationen verboten.
Die Demonstranten stammten aus der osttschadischen Provinz Ouaddai und protestierten gegen einen Angriff von Unbekannten auf die Ortschaft Chokoyam am vergangenen Mittwoch, bei dem einer neuen amtlichen Bilanz zufolge 82 Menschen getötet worden waren. Die Demonstranten warfen der Regierung vor, ein „Klima der Unsicherheit“ zu schaffen.
Die Unsicherheit in dem Land, dessen jahrzehntelanger Bürgerkrieg unter französischer und libyscher Beteiligung erst im Dezember 1990 mit dem Sturz des damaligen Präsidenten Hissein Habre durch den jetzt herrschenden Idriss Deby zu Ende ging, wächst seit Monaten. In Ouaddai sollen bewaffnete, im Sudan stationierte Anhänger des ehemaligen Verteidigungsministers Abba Koty wiederholt Überfälle verüben. Doch die auch in anderen Landesteilen um sich greifende Gewalt ist nicht nur auf politische Machtkämpfe zurückzuführen, sondern auch auf die Versuche der Regierung, inmitten einer schweren Wirtschaftskrise eine Demobilisierung der unzähligen Bürgerkriegsmilizen und der mit 80.000 Mann (bei sechs Millionen Einwohnern) überdimensionierten Regierungsarmee durchzuführen.
Beobachter kritisieren, daß Präsident Deby die Milizen des Zagawa-Volkes, die ihn 1990 an die Macht brachten, vor Entwaffnung und rechtlicher Kontrolle schütze und diese daher nach eigenem Gutdünken gegen politische Gegner vorgehen dürften. Mindestens 100 Menschen, so „amnesty international“, wurden Anfang April von der aus Zagawas bestehenden Präsidentengarde in der südlichen Provinz Ost-Logon getötet. Politische Opposition zu üben, ist schwer: Gewerkschaftliche Tätigkeit wurde im Oktober 1992 nach Protesten gegen ein neues Sparprogramm verboten; am 30. Juni untersagte die Regierung religiöse Versammlungen sowie das öffentliche Tragen von Waffen. D.J.
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