: Krisensitzung im PLO-Hauptquartier
■ Arafat versucht die Risse in der palästinensischen Delegation auf Kosten seiner Kritiker zu kitten
Tel Aviv (taz) – PLO-Chef Jassir Arafat könnte es gelingen, durch einen Kompromiß den schweren Konflikt aus dem Weg zu räumen, der zwischen der Verhandlungsdelegation aus den israelisch besetzten Gebieten und der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Tunis aufgebrochen ist. Wie gutinformierte palästinensische Kreise in Ost-Jerusalem weiter meinen, werde dies vor allem auf Kosten der Kritiker Arafats geschehen. Sie rechnen mit einer „Neubesetzung“ des Verhandlungsteams in den Nahostgesprächen mit „Ja-Sagern“, die zum Teil aus dem engeren Beraterkreis Arafats kommen.
Dr. Ahmed Tibi, ein bekannter israelisch-arabischer Arzt und einer der erfahrensten Mittelsmänner zwischen offiziellen israelischen Stellen und dem PLO- Hauptquartier in Tunis, ist überzeugt, daß Arafat die unbotmäßigen Delegationsmitgliedern jetzt zur Raison bringen wird. Er hat sie in die tunesische Hauptstadt berufen, um ihnen klarzumachen, daß sie die Instruktionen der PLO- Führung durchzusetzen haben – und nichts anderes. Eine so neu- geeinte Verhandlungsdelegation – in der die PLO-Spitze mit israelischem Einverständnis direkt vertreten wäre – könnte dann das gegenwärtig gespaltene Pro-PLO- Lager in den besetzten Gebieten wieder hinter Arafat einen.
Einstweilen hat kein Mitglied der palästinensischen Delegation seinen angedrohten Rücktritt offiziell bekanntgegeben. Den letzten dramatischen Konflikt, der besonderen Ärger in den besetzten Gebieten auslöste, hatte es im Zusammenhang mit dem Besuch von US- Außenminister Christopher in Jerusalem gegeben. (Siehe taz vom 9.8.93) Von den Delegierten aus den besetzten Gebieten waren schließlich nur noch Vertreter von Arafats Fatah-Linie bereit, mit Christopher zusammenzukommen. Aber auch diese – angeführt von Koordinator Feisal Husseini – fühlten sich vom Verhalten der PLO-Führung brüskiert: Hatte die Zentrale doch hinter ihrem Rücken Forderungen der USA und Israels akzeptiert, die sie zuvor zurückgewiesen hatten.
Deshalb, aber auch wegen älterer Kompetenzstreitigkeiten mit Arafat, gaben Husseini, sein Vertreter Erekat und Delegationssprecherin Aschrawi, ihre Demissionsabsicht bekannt und machten sich zur Krisensitzung nach Tunis auf. Jetzt geht es, meinen palästinensische Politiker in den besetzten Gebieten, eigentlich um Arafats Bemühungen um seine Anerkennung durch Israel und die USA. Dafür sei Arafat bereit, großzügige Konzessionen auch auf Kosten anderer wichtiger palästinensische Interessen in den besetzten Gebieten zu machen.
Besonders scharf ist die Auseinandersetzung zwischen dem Leiter der palästinensischen Delegation in den bilateralen Verhandlungen, Haider Abdel Schafi, der in den besetzten Gebieten sehr beliebt ist, und dem PLO-Chef. Abdel Schafi besteht zudem auf einer Demokratisierung der PLO-Führung, die in Zukunft verhindern soll, daß Arafat alle wichtigen Beschlüsse alleine faßt. Angeblich will man in Tunis Abdel Schafi durch Arafat- Berater Nabil Shaat zu ersetzen, was allerdings das Einverständnis Israels erfordert. Denn zu Beginn der Nahost-Verhandlungen in Madrid war die direkte Einbeziehung offizieller PLO-Vertreter in der Delegation ausgeschlossen worden. Daran hält die israelische Regierung bislang fest. Nach längeren Geheimverhandlungen zwischen Israel und PLO ist man sich in israelischen Regierungskreisen jetzt klar darüber, daß diese Bedingung sehr bald fallen gelassen werden können, wenn die PLO den geforderten Preis vor allem in Form weitestgehender Konzessionen bei den Autonomieverhandlungen zahlt. Israels Außenminister Shimon Peres erklärte am Montag, die Krise in der palästinensischen Führung könne noch sehr vorteilhaft für Israel ausgehen. Amos Wollin
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