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Betr.: Ausstellung: "Das Bild des Körpers"

■ "7 novembre, Paris" von Bettina Rheims

Dieses Bild von Bettina Rheims, „7 novembre, Paris“ ist eins von zwei Plakatmotiven, mit denen der Frankfurter Kunstverein für seine fotografische Ausstellung „Das Bild des Körpers“ wirbt – oder warb. Kaum plakatiert, wurde dieses Motiv von der Deutschen Städtereklame (DSR) weiß überklebt. Laut Klaus Merkel, Prokurist bei der bundesweit aktiven Plakatfirma, war das Bild von Bettina Rheims nicht geeignet, das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken. Freizügig bietet er seine eigene Version an, warum das Foto „anstößig“ sei: „Weil in provokativer Weise Sexualität dargetan wird.“ Merkel fühlt sich erinnert „an Fotos vergewaltigter bosnischer Frauen“, offenbar ein Produkt seiner Phantasie. Es hat nie Pressefotos vergewaltigter bosnischer Frauen gegeben, auf denen diese Frauen entblößt dargestellt worden wären. Dem Kunstverein brachte diese Äußerung massive Drohungen gegen die Ausstellung ein. Sein Direktor Peter Weiermair mußte Wachleute engagieren. Merkel ist nach drei Tagen Zeter und Mordio wenig geneigt, seine Maßstäbe zu explizieren („Wollen Sie mit mir diskutieren?“). Seine Firma habe dafür zu sorgen, daß keine anstößigen Bilder plakatiert werden; er verwendet die Begriffe „Obszönität“ und „Primitivität“, will sie aber auf Nachfrage auf Bettina Rheims nicht angewendet wissen. Herr Merkel ist übrigens sehr liberal: Er hat die Ausstellung gesehen und nichts daran auszusetzen.

Was die DSR zu steuern versucht, ist das Bild des Körpers in der Öffentlichkeit: Ein verklemmt fotografiertes nacktes Paar auf Skiern, wie es im Winter plakatiert war, darf jedem U-Bahn-Benutzer zugemutet werden; bei einer Frau mit – wie Merkel fachmännisch beobachtet hat – „extra freigelegtem Schamhaar“ ist aber Schluß. Was man Merkel lassen muß, ist ein sicherer Draht zum Schwierigen: Mapplethorpes erhaben schwules Motiv kann jeder Dussel entziffern, Rheims non-lesbische Frauenfotografie, die mit Klischees von Verführung und Unterwerfung süffisant hantiert, ist schwerer zu fassen (siehe taz vom 19.5.93).

Der Kunstverein will sich „keinen Pornographieskandal anhängen lassen“ (Angeli Sachs), ist aber nun doch in die Offensive gezwungen. In der Presseerklärung von Montag abend wurden rechtliche Schritte angekündigt. Das wird nicht einfach, denn die Plakatierung war kein kommerzieller Auftrag – sondern eine jährliche Konzession der DSR an den Kunstverein.Ulf Erdmann Ziegler

Ausstellungsbesprechung folgt. Foto aus: Bettina Rheims, „Chambre close“, Verlag Gina Kehayoff, München.

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