Sie wollen endlich Geld sehen

■ Die 419köpfige Besatzung eines ukrainischen Fischereischiffs streikt im ägyptischen Hafen Alexandria

Kairo (taz) – Meuterei in Alexandria. Das ist nicht etwa der neueste Titel eines Hollywood-Piraten- Streifens, sondern bittere Realität im ägyptischen Mittelmeerhafen Alexandria. Für die Hafenbehörden begann es mit der üblichen Routine. Am 24. Juni lief das ukrainische Fischerei- und Konservenverarbeitungsschiff „Savska“ ein, um seine Ladung – 650 Tonnen Sardinen – gemäß der Bestellung eines ägyptischen Fischkonserven-Unternehmens zu löschen.

Doch was die Behörden anschließend erlebten, ward bisher im Hafen von Alexandria noch nicht gesichtet. Am 27. Juli gingen sämtliche 419 russischen und ukrainischen Besatzungsmitglieder, darunter 54 Frauen, von Bord und begannen einen unbefristeten Sitzstreik auf dem Kai. Der Grund: seit fast einem Jahr haben sie von dem ukrainischen Reeder keinen Pfennig Geld gesehen. Jetzt weigern sie sich, noch einmal einen Fuß an Bord des Pleite-Schiffes zu setzen, solange das Geld nicht per Banküberweisung nach Alexandria transferiert wird.

Auch dem eilig angereisten russischen Botschafter und dem Konsul, die im Auftrag der ukrainischen Regierung verhandelten, gelang es nicht, die Seeleute zur Aufgabe ihres Streiks zu überzeugen. Die Ukraine hat bisher keine eigene Vertretung in Ägypten. Einer Journalistin des ägyptischen Magazins Sabah Al-Kheir gelang es nach einigem bürokratischen Hin und Her mit einer Übersetzerin, einige Mitglieder der Besatzung zu treffen. Das Schiff gehört laut dem Kapitän einer Reederei in Odessa und ist am 23. August letzten Jahres in See gestochen. Die Besatzung, so der Kapitän, fordere nun ihre Löhne, den ausgefallenen Jahresurlaub und die Einhaltung der Erholungspausen. Er habe alles versucht, könne die Bestzung aber nicht dazu zwingen, wieder an Bord zu gehen.

Die ägyptische Agentur, die für das Löschen des Schiffs und die Zoll- und veterinärmedizinischen Formalitäten zuständig war, hält sich weitgehend heraus. Sie habe den ukrainischen Besitzer des Schiffes informiert und warte nun auf Antwort, sagte der Agent Fath- Allah Khalil. In dem letzten Telex aus der Ukraine hieß es, daß die Besatzung wieder an Bord gehen soll und ihren Lohn dann bei der Rückkehr in die Ukraine ausbezahlt bekomme. Das lehnen die Seeleute strikt ab.

Die Aussagen der einzelnen Besatzungsmitglieder zeugen von der fast einjährigen Odyssee des Schiffes. Der Mechaniker Jurichenko erzählt von der Fahrt nach Südafrika, Spanien und schließlich Ägypten. Nach etwa der Hälfte sei der Treibstoff für die Verarbeitungsmaschinen ausgegangen. Vier Monate seien sie daraufhin in Südafrika festgesessen, mit kaum etwas zu essen und zu trinken. Dem Kapitän traue er nicht mehr über den Weg; der arbeite mit dem Besitzer Hand in Hand. „Der Kapitän hat versprochen, daß wir unsere Löhne in Alexandria bekommen, wenn die Ladung gelöscht ist. Hier wird kein einziger zurückgehen. Der Streik war eine kollektive Entscheidung“, erklärte die 35jährige Dalina der ägyptischen Zeitschrift. Auch der 60jährige Anatoli erzählt von den unsäglichen Zuständen an Bord. Es habe kaum Essen und keinerlei medizinische Versorgung gegeben, noch nicht einmal für die älteren Leute wie ihn. Für schwangere Frauen an Bord gab es keine medizinische Aufsicht. Er werde sich, so der Seemann, jedenfalls nicht mehr aus dem Hafen von Alexandria wegbewegen, und wenn das Ganze mehrere Jahre dauere.

Die 34jährige Razia arbeitet schon seit mehreren Jahren auf dem Schiff. Die Kinder warten nun schon ewig auf ihre Überweisungen, sagt sie. Sie lebten bei ihren Großeltern in der Ukraine. Deren Rente reicht kaum für einen, geschweige denn für vier Münder. Kamankow, ein anderer Seemann, forderte gar, daß der ganze Fall vor ein Gremium der UNO gebracht werden müsse. Vorher gehe er nicht weg. Es solle eine Menschenrechtskommission diese unmenschlichen Zustände mit eigenen Augen sehen. „Wenn wir unsere Rechte nicht bekommen, werden wir zu Bettlern. Wir kämpfen hier nur für die geringsten unserer Rechte“, zitiert ihn die Zeitschrift.

Die ägyptischen Behörden lassen die Seeleute gewähren und haben inzwischen sogar, so ein Vertreter der Hafenpolizei am Montag gegenüber der taz, Zelte am Kai aufstellen lassen. Vielmehr unternähme man derzeit nicht, sondern warte erst einmal auf Antwort aus Odessa. Karim el Gawhary