■ Mit dem Reiserecht auf du und du
: Poker um Prämien

„Nun müssen 40.000 deutsche Pauschaltouristen teures Lehrgeld bezahlen. Sie alle haben nun Muße, darüber nachzudenken, ob man an das billigste Schnäppchen die größten Hoffnungen hängen darf.“ In oberlehrerhafter Manier konstatiert die Zeit die Selbstverantwortlichkeit deutscher Urlauber, wenn sie sich vom Billigstangebot in ferne Lande karren lassen und dann nicht bekommen, was sie bezahlt haben. Dabei ist der Dumpingpreis in der Tourismusindustrie längst salonfähig und gängigste Praxis im Kampf um Marktanteile und -vorteile.

Die 10.000 Urlauber, die der Konkurs der MP Travel weit von zu Hause in Urlaubsstreß versetzte, und die 30.000, die den bezahlten Urlaub nun nicht antreten können, hätten längst Recht auf Schadensersatz. Die EG-Pauschalreiserichtlinie zur Insolvenz-Absicherung der Veranstalter müßte schon seit dem 1. Januar 1993 deutsches Recht sein. Die EG-Verordnung sichert Urlaubern bei einem Firmenkonkurs die Rückreise und die Erstattung für nicht erbrachte Leistungen. Doch der Gesetzentwurf schmort in den Schubladen der Politiker. Die Diskussion um die Insolvenz-Absicherung für Veranstalter zieht sich endlos hin. Es wird um einen lächerlichen Betrag in Höhe einer Cola- Dose gepokert.

Die Großen der Branche wie TUI, NUR, LTT, ITS und DER können sich nicht dazu entschließen, an einer Branchenlösung in Sachen Insolvenz-Versicherung teilzunehmen. Das von den Versicherungen vorgelegte Modell setzt jedoch die Teilnahme der Großveranstalter bzw. eine Marktabdeckung von 60 Prozent voraus. Nur so kann die von den Versicherungen bislang angesetzte Prämie von 1,30 Mark bis 3,80 Mark pro Reisendem gehalten werden. Die Großen könnten diesen Preis mit 50 Pfennig unterbieten und sind daher nicht an einer gemeinsamen Lösung mit dem Mittelstand interessiert. Zwar wirkt auch der Aufschlag von 3,80 auf den Reisepreis geradezu lächerlich, doch im knallharten Konkurrenzkampf zählt auch der zarteste Marktvorteil.

Verschreckt von dem Geschrei der Branche, die Insolvenz-Absicherung wäre ihr Untergang, und bedrängt von dem Widerstand ihrer Lobby, bleiben die Politiker hilflos in der Defensive. Wenn sich die Branche nicht auf einen gemeinsamen Versicherungsfonds einigen kann, hätte die Politik längst Recht verordnen müssen. Die mangelnde politische Durchsetzungskraft aufgrund ökonomischer Interessen geht zu Lasten der Verbraucher.

Es ist daher nur legitim, wenn die Betroffenen in Florida, an der Algarve oder in Antalya Entschädigung vom Staat verlangen, ihn für die politischen Versäumnise haftbar machen. Der Europäische Gerichtshof gibt ihnen recht: er hat bei einem ähnlichen Fall in Italien die Amtshaftung bestätigt. Edith Kresta