: Die dritte Generation der Stühle
■ Abaton: Nicht nur ein profiliertes Programm , auch die Bequemlichkeit zählt
Der schärfste Filmkritiker sei sein Hintern, bemerkte Henry Miller einst. Denn mache sich das Körperteil erst bemerkbar, sei schon klar, daß der Film schlecht ist. Das Abaton, 1970 von Werner Grassmann und Winfried Fedder gegründet, hat seine Zeiten als reines Studentenkino längst hinter sich. Darüber, welche Wege die allerersten, einst gebraucht gekauften Stuhlreihen des Kinos mittlerweile gingen, kann Werner Grassmann lange Geschichten erzählen. Nun ist die dritte Generation Stühle in der ehemaligen Garage am Allende-Platz eingezogen.
„Die neuesten Modelle aus Paris“, weist Matthias Elwardt auf den neuen Stolz des Hauses hin. Zugunsten der Beinfreiheit wurden die Plätze in den beiden Kinos reduziert, nun ist im Großen für knapp 300 und im Kleinen Kino noch für knapp 100 ZuschauerInnen Platz. Auch Cafe, Foyer und Eingang strahlen im neuen, gelben Anstrich und lassen die Zeiten, als hier noch der Charme eines Partykellers herrschte, endgültig vergessen. Und bei der heutigen Premiere des Films Das Piano wird noch ein gutes, altes Möbel für einen guten Zweck versteigert: Das Klavier, auf dem Anfang der 70er Jahre Frank Zappa bei der Hamburger Premiere von 200 Motels klimperte, kommt unter den Hammer.
Die Tradition, Filme mit einem großen Aufwand der Vermittlung ans Publikum zu bringen, führt allerdings auch Matthias Elwardt, seit 1989 verantwortlich für das Abaton-Programm, weiter. Dabei konspiriert der 30jährige Betriebswirt, der schon als Schüler begann, Kino zu machen, programmtechnisch mit dem British Council oder dem Institute Francais genauso wie mit der nordelbischen Landeskirche, den Deichtorhallen oder der Kunsthalle.
Gleichzeitig nutzt Elwardt die großen europäischen Filmfeste, um möglichst früh über Novitäten informiert zu sein und entscheiden zu können: „Den Film will ich zeigen.“ Der Markt für Kunstfilme in Hamburg habe sich entspannt, hat Elwardt festgestellt. Gleichzeitig sind in diesem Jahr mit Detlef Bucks Wir können auch anders und Katja von Garniers filmstudentischer Fingerübung Abgeschminkt gleich zwei erfolgreiche deutsche Filmkomödien gestartet, die Hoffnung auf eine kleine Gewichtsverschiebung im ungleichen Rennen amerikanischer Major-Companies und kleiner Verleiher machen. So erlebte das Abaton mit Abgeschminkt den erfolgreichsten Filmstart der letzten zehn Jahre mit über 5.000 Besuchern innerhalb der ersten drei Wochen.
Elwardts Fazit: „Die Filmkunst ist unterhaltsamer geworden“, Befindlichkeitsfilme seien out. Die Befindlichkeit des Publikums ist allerdings in Zeiten des Kino-Booms wichtiger geworden, doch allein ein weicher Sessel wird den „schärfsten Kritiker“ nicht irritieren können. jk
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