: Rückzug der Serben am Berg Igman?
■ Unklarheit über die militärische Situation / US-Flugzeug bei Überwachung des bosnischen Luftraumes abgestürzt / Genfer Verhandlungen weiter blockiert / 58 Teilnehmer von „Mir sada“ in Sarajevo
Sarajevo/Genf (AP/taz) – Der Abzug serbischer Truppen von zwei Bergen um Sarajevo hat ein Verwirrspiel ausgelöst, das als neuer Bremsklotz für die Genfer Friedensgespräche wirken könnte. Die Militärführer der Kriegsparteien einigten sich nach 18stündigen Verhandlungen zwar auf ein Entflechtungsabkommen, dieses soll aber erst nach einem Friedensschluß in Genf in Kraft treten. UNO-General Briquemont sagte, dies sei hoffentlich das Signal, die Genfer Verhandlungen wieder in Schwung zu bringen. Ein amerikanisches Kampfflugzeug vom Typ F16 ist am Mittwoch beim Einsatz zur Überwachung des bosnischen Luftraums über der Adria abgestürzt. Wie ein Sprecher des Nato- Oberkommandos in Neapel bestätigte, konnte sich der Pilot mit dem Fallschirm retten.
Um den strategisch bedeutsamen Berg Igman südwestlich von Sarajevo waren am Mittwoch offensichtlich serbische Truppenbewegungen im Gange. Ob es sich dabei aber um den von Serbenführer Karadžić zugesicherten Abzug handelte, war vorerst nicht feststellbar. Reporter sahen auf dem Igman frische serbische Truppen mit trockenen Uniformen. Karadžić bestritt in Genf, daß es sich dabei um Verstärkungen gehandelt habe. Vielmehr sei eine Einheit ausgetauscht worden, deren Soldaten durchnäßt und erschöpft gewesen seien. Der Abzug gehe wie vorgesehen weiter.
Als „schändliche Lüge“ wies Karadžić eine Vermutung des russischen UNO-Botschafters Woronzow zurück, wonach serbische Truppen bereits geräumte Positionen wieder besetzt hätten. Woronzow sagte in New York, die Serben wollten, daß UNO-Truppen die von ihnen geräumten Stellungen übernähmen. Als statt dessen moslemische Truppen nachgerückt seien, hätten die Serben ihre Posten wieder besetzt.
Die seit vergangener Woche auf der Stelle tretenden Friedensgespräche in Genf sollen erst dann fortgesetzt werden, wenn sich alle serbischen Soldaten von den Bergen zurückgezogen haben. Zunächst war fraglich, ob eine für Donnerstag geplante Gesprächsrunde überhaupt angesetzt wird. Karadžić wollte mit der Zusicherung des Abzuges erreichen, daß Präsident Izetbegović seinen Verhandlungsboykott aufgibt.
Unterdessen verstärken sich die Hinweise, daß Generalsekretär Butros Ghali in den kommenden Tagen nach Genf fährt, um auf die Führer der Kriegsparteien persönlich Druck auszuüben, an die Verhandlungstische zurückzukehren. Als Druckmittel gilt der NatoBeschluß vom Montag, auf Anforderung der UNO Luftwaffenangriffe auf serbische Stellungen zu fliegen.
Das umfassende Militärabkommen von Sarajevo soll die praktische Entflechtung von Kampftruppen, den Rückzug von schweren Waffen, die Minenräumung und die Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur regeln.
58 Teilnehmer des internationalen Friedensmarsches „Mir sada“ sind gestern in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo eingetroffen. Der Großteil der Demonstranten war dagegen aus Sicherheitsgründen aus der bosnischen Stadt Prozor ins kroatische Split zurückgekehrt. Dort wurde die Aktion, an der sich mehrere tausend Menschen vor allem aus Frankreich, Italien und Polen beteiligten, inzwischen offiziell beendet.
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