: Kaufrausch für Berliner bis ins Jahr 2010
■ Nach Berechnungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird die Verkaufsfläche um rund 50 Prozent zunehmen / Wildwuchs soll verhindert werden
Der Einzelhandel sei eine der Wachstumsbranchen, die mit am eindrucksvollsten die Veränderungen der Stadt widerspiegelten, zeigte sich gestern Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) überzeugt. In der Tat wird die Verkaufsfläche – glaubt man den Prognosen einer gestern vorgestellten Broschüre zur Entwicklung des Einzelhandels – in Berlin kräftig wachsen.
Die Stadtplaner kommen in dem nun vorliegenden Papier zum Ergebnis, daß die Verkaufsfläche in der Hauptstadt bis zum Jahr 2010 um 1,6 Millionen Quadratmeter auf rund 4 Millionen steigen wird. Zulegen werden vor allem die östlichen Stadtbezirke, die bislang noch unterversorgt sind. Während auf den Westteil der Stadt 0,94 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner entfallen, hinkt Ostberlin mit 0,45 Quadratmeter hinterher. Hier werde der jetzige Bestand um das Eineinhalbfache zunehmen, prophezeite Hassemer.
Mit der gestern vorgestellten Studie will der Senator den städtebaulichen Wildwuchs, ein Überangebot an Verkaufsflächen und eine Verdrängung des Einzelhandels vermeiden. Die Investoren sollten mit dem Papier einerseits Planungssicherheit erhalten, ihnen sollten aber zugleich auch die Grenzen ihrer Vorstellungen deutlich gemacht werden. Es bleibe sein Anliegen, Zentren und Subzentren zu erhalten oder wie im Ostteil neu zu entwickeln. Ziel seien kurze Einkaufswege. Er beklagte, daß es derzeit in Ostberlin noch immer eine „vollkommen unangemessene Reiseentwicklung“ in westliche Bezirke gebe.
Im Vergleich mit anderen westdeutschen Großstädten machte Hassemer deutlich, daß in Berlin dennoch durchaus Kapazitäten ausgeschöpft werden können. So liege Gesamt-Berlin mit 0,76 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner weit hinter Hamburg, München oder Frankfurt. Deren Höchstwert von 1,15 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner soll Berlin knapp erreichen.
Absolute innerstädtische Spitzenreiter werden nach den Berechnungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Bezirke Mitte mit 4,8 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner und Tiergarten (2,2), letzterer wegen der Neubauten am Potsdamer Platz.
Hassemer pries die Steigerung der Verkaufsflächenzahl auch als ein Mittel gegen steigende Gewerbemieten. Solange es in Berlin eine „Unterausstattung“ an entsprechenden Flächen gebe, werde dies die Mieten weiter „anheizen“. Besorgt zeigte er sich über die Entwicklung im Einzelhandel im Berliner Umland. Dort sei mittlerweile das „Ende der Fahnenstange“ erreicht. Daher habe man mit Brandenburg vereinbart, die Zahl der Genehmigungen für großflächige Einkaufszentren nunmehr zu begrenzen. Zusammen mit den schon genehmigten Projekten werde künftig im Nachbarland mit 1,0 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner eine Dichte erreicht, wie sie nur aus westdeutschen Großstädten bekannt sei. Dies werde zu „dramatischen Konsequenzen“ für den Einzelhandel in den brandenburgischen Gemeinden und Städten führen, warnte Hassemer. Bis zu 60 Prozent der Verkaufsfläche befinde sich auf dem Land – doppelt soviel wie in Westdeutschland. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen