Von Leser zu Leser

■ betr.: "Sehr aufrichtig, sehr konsequent", taz vom 4.8.93

betr.: „Sehr aufrichtig, sehr konsequent“, Leserbrief von Nicolas Frank, taz vom 4.8.93

Richtig, die Arbeitnehmer sollen die Pflegeversicherung ruhig selbst bezahlen. Wie sonst sollen sie denn merken, wem sie bei der letzten Bundestagswahl zur Mehrheit verholfen haben? Doch wohl Parteien, die die Interessen von Arbeitgebern, Gutverdienenden und Besitzenden vertreten, das teils auch offen sagen, zumindest aber dem Interessierten und Informierten nicht verhehlen können.

Wer sie wählt, darf sich nicht wundern, daß sie dann ihr Programm und ihre Ideologie verwirklichen. Das betrifft beispielsweise auch die Mieter, die sich mit den bekannten Übeln Wohnungsknappheit, Mietwucher, Eigenbedarfskündigung usw. herumplagen. Das gilt für die wegsanierten Arbeitsplatzinhaber in West und vor allem auch in Ost. Das gilt für die Frauen, die wieder an den Herd sollen, und für andere von den aktuellen Plagen Heimgesuchte. Die regierenden Parteien setzten und setzen doch im wesentlichen nur Angekündigtes beziehungsweise bereits mehrfach in der Vergangenheit Praktiziertes durch.

Im Vertrauen, bei der nächsten Wahl sind alle Schweinereien der letzten Legislaturperiode wieder vergeben und vergessen. Oder will einer behaupten, diese Regierung wurde ohne Stimmen von Arbeitnehmern, Mietern, Arbeitslosen, Frauen etc. gewählt?

Wenn wir Arbeitnehmer uns so über die Karenztage ärgern: warum setzen wir sie, so sie denn wirklich kommen sollten, nicht als Waffe ein. Ein- oder zweimal im Monat meldet sich die Abteilung für einen Tag geschlossen krank. Das Geld fehlt dann zwar in der Lohntüte, kommt einem aber im Alter wieder zugute. Und die Familie freut sich, daß Papa oder Mama einen Tag ihr gehört. Mal sehen, ob die „Gegenseite“ das Spielchen mitmacht. Stephan Tietz, Hannover