: Libyen-Embargo: Verschärfung täte allen weh
■ Heute beraten die USA, Großbritannien und Frankreich über eine Verlängerung oder gar Verschärfung der Sanktionen gegen Libyen / Gaddafi in der Klemme
Kairo (taz) – Es ist wieder einmal soweit: Das Embargo gegen Libyen soll in diesem Monat vom UN-Sicherheitsrat erneut überprüft werden. Seit April letzten Jahres herrscht ein Flugembargo gegen das nordafrikanische Land, das seitdem nur über den Land- und Seeweg zu erreichen ist. Nach den Vorstellungen der Initiatoren dieser Sanktionen – der USA, Großbritanniens und Frankreichs – soll das auch so lange in Kraft bleiben, bis die Regierung Gaddafi die UN-Sicherheitsrats-Resolution 731 erfüllt.
Darin wird sie aufgefordert, zwei libysche Agenten auszuliefern, die unter dem Verdacht stehen, für das Bombenattentat auf einen Pan-Am-Jumbo im Jahr 1988 über dem schottischen Lockerbie verantwortlich zu sein. Außerdem soll Tripolis mit Paris bei der Untersuchung eines Attentats auf eine Maschine der französischen Gesellschaft UTA kooperieren, in das angeblich auch Libyer verwickelt sein sollen.
Unter dem Motto der „erschöpften Geduld“ wird derzeit auch eine Verschärfung des Embargos diskutiert. Auf einem Treffen in London Anfang dieses Monats einigten sich die USA, Großbritannien und Frankreich darauf, drei Optionen in Erwägung zu ziehen: Möglich wäre ein Einfrieren der libyschen Auslandsguthaben, ein Embargo von Öl-Technologie und eine Verminderung der libyschen Ölexporte. Um der ersten Maßnahme zu entgehen, soll die libysche Regierung in der letzten Zeit ihre Auslandskonten auf Privatpersonen überschrieben haben. Die zweite Maßnahme würde das Land weit härter treffen, da die Ausbeutung der libyschen Ölfelder von einer komplizierten Öltechnologie abhängig ist. Ein Ölexportembargo hätte verheerende Folgen für das Land.
Die Regierung Gaddafi versuchte in den letzten Monaten aus ihrer Isolation herauszukommen. Nach Presseberichgen soll Tripolis den Angehörigen der Opfer des Bombenanschlages 500 Millionen Dollar Entschädigung angeboten haben, falls diese ihre Anklage vor Gericht fallen lassen. Die ägyptische Zeitung Al-Ahram Weekly schreibt sogar von einem Angebot einer öffentlichen Entschuldigung an die Angehörigen. All diese Versuche waren bisher allerdings von keinem direkten Erfolg gekrönt. – Dennoch rechnen nur wenige zum jetzigen Zeitpunkt mit einer tatsächlichen Verschärfung des Embargos. Vor allem Frankreich zögert: In den letzten Monaten ist es der libyschen Regierung gelungen, Verträge mit zwei großen französischen Ölfirmen, Total und Elf, abzuschließen und sich damit in Frankreich eine starke Lobby zu schaffen.
Auch Großbritannien steckt mit Libyen dicke im Geschäft: Fast 7.500 britische Arbeiter in Tripolis und ein Handelsüberschuß von über einer Milliarde englischer Pfund zugunsten des Königreiches. Französische und britische Firmen wurden laut des libyschen Außenministers Omar Al-Muntasir in einem Interview mit der libanesischen Zeitschrift Wasat im Elektrobereich unlängst für 700 Millionen Dollar unter Vertrag genommen. Italien und Deutschland, die einen großen Teil ihres Öls aus Libyen beziehen, gehören ebenfalls nicht zu den Embargo-Scharfmachern. Die Clinton-Regierung steht dagegen bei den Angehörigen der Opfer im Wort und schlägt schärfere Töne an.
Erwartet wird heute ein Kompromiß in einer gemeinsamen Erklärung der USA, Großbritanniens und Frankreichs, in dem Libyen voraussichtlich erneut verwarnt und eine Verschärfung des Embargos in den nächsten Wochen angedroht wird. Gaddafi steckt in der Klemme: Eine Auslieferung der beiden verdächtigen Männer gilt als schwierig, da es sich um Schlüsselfiguren in der innerlibyschen Stammespolitik handelt. Will er sein Land wieder aus der Isolation herausführen, muß er früher oder später ausliefern. Das wiederum könnte ihn allerdings den Kopf kosten. Karim el Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen