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Der Beste aller Zeiten

■ Carl Lewis, Glamour-Kid und schnellster Megastar der Welt. Ein Portrait des eleganten Läufers

Muß man Carl Lewis noch vorstellen? Wenn ja, wie? Herkömmlich nüchtern? Carlton Frederick Lewis, geboren in Birmingham (Alabama), 32 Jahre alt, dritter Sohn von Evelyn und Bill Lewis, von Beruf Sprinter und Weitspringer, seit Jahren im Geschäft, einer der wenigen Teilnehmer an allen vier bisherigen Weltmeisterschaften. Trainer: Tom Tellez, Manager: Joe Douglas, alias „Little Joe“, Verein: Santa Monica Track Club.

Nein? Dann vielleicht euphorischer: Carl Lewis, der Superstar mit dem unnachahmlich eleganten Laufstil. Den man in einem Atemzug nennen muß mit Jesse Owens, dem legendären Idol der schwarzen Leichtathletik, der bei der Nazi-Olympiade in Berlin vier Goldmedaillen geholt hat. Was Lewis nicht nur 48 Jahre später in Los Angeles wiederholte, sondern auch noch übertraf mit insgesamt acht olympischen Gold- und einer Silbermedaille. Jesse Owens, das Idol, dem der zehnjährige Carl, der damals lieber mit Puppen spielte, ins Theater ging und Cello- sowie Klavierspielen lernte, die Hände schüttelte.

Auch nicht? Dann so, wie Lewis Lewis portraitiert, in seiner Biographie „Inside Track“: „Ich war klein für einen Athleten. Ein Nicht-Athlet.“ Der kleine Künstler in einer Sportler-Familie. Oder wie Leichtathletik-Experte Robert Hartmann: „Lewis zelebriert seine Auftritte. Einmal erschien er ungeschminkt in einem Fernsehstudio und entschuldigte sich: „Ich muß gleich zum Training. Da würde die Schminke verschmieren.“ Lange Zeit drängte er zum Show-Biz – „wie einer, der auch dafür eine starke Berufung in sich spürt“. Lewis, der Superstar, der Megastar, der Star aller Medien, der es wie kaum ein anderer Sportler versteht, sich auch außerhalb der Tartanbahn in Szene zu setzen. Man braucht den Superlativ, um Carl Lewis näherzukommen.

Was die Leistung des Sportlers Lewis aber am besten beschreibt, sind die nackten Fakten. Allein seine WM-Bilanz ist ungeschlagen: neun Medaillen bei drei Weltmeisterschaften, davon acht goldene und eine silberne. In seiner einzigen Niederlage offenbarte sich erst recht seine Größe: 1991 in Tokio, im legendären Weitsprung-Finale: Mike Powell überbot mit seinem Satz von 8,95 Meter Bob Beamons Jahrhundertsprung von Mexiko 1968 um fünf Zentimeter. Lewis tat dies ebenso, nur fehlten vier lächerliche Zentimeter zum Sieg. Vier Sprünge zwischen 8,83 Meter und 8,91 Meter hatte er absolviert.

In Stuttgart wird „Carl der Große“, wie ihn Konkurrenten und Medien respektvoll nennen, seinen üblichen Medaillen-Viererpack nicht abholen. Wegen Rückenschmerzen hat der König des leichtathletischen Jahrhunderts auf den Weitsprung verzichtet.

Dafür will er seinen Titel über 100 Meter verteidigen. Den hat er im wohl besten Sprint-Finale aller Zeiten – die sechs Bestplazierten liefen alle unter zehn Sekunden – in der Weltrekordzeit von 9,86 Sekunden geholt.

Bei allen großen Meetings der letzten Wochen hat Carl Lewis zwar viel Geld verdient, aber immer verloren – gegen Linford Christie, den Olympiasieger, gegen Leroy Burrell, seinen Teamkollegen. Aber egal wie seine vierte WM laufen wird, eines steht bereits vorab fest: mit 18 Lenzen hatte sich Carl Lewis vorgenommen, er wolle der Beste aller Zeiten werden. Mit 32 Jahren hat er es längst geschafft.

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