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Jelzin will im Herbst wählen lassen

■ Machtkampf in Moskau / Spekulationen über Illoyalität der Armee

Moskau (taz) – Rußlands Präsident Boris Jelzin versprach den RussInnen gestern einen „kämpferischen September“ und Wahlen noch in diesem Herbst. Wie er aber den zu erwartenden Widerstand des Obersten Sowjet überwinden will, verriet er nicht. Statt dessen verkündete er, daß er gegen die vom Parlament beschlossenen Haushalts- und Pressegesetze ein Veto eingelegt habe.

Kaum ist die Sommerpause zu Ende, geht in Moskau der Machtkampf zwischen Jelzin und seinem Widersacher Nr. 1, Parlamentssprecher Ruslan Chasbulatow, in eine neue Runde. Jelzins Pressesprecher Kostikow hatte Chasbulatow am Mittwoch eine „manisch unausgeglichene Persönlichkeit“ bescheinigt und nannte ihn eine „Kakerlake“. Anlaß für solchen Unmut hatte der Präsidentenwidersacher erst am Vortag geboten, als er vor einer Versammlung von Offizieren bemerkte: „Die Armee ist die wichtigste Verteidigerin der Konstitution, und man darf ihren Bedürfnissen nicht nach dem Prinzip der Verteilung von Resten begegnen, wie dies die heutige Regierung tut.“ Nicht nur verbal hatte der Oberste Sowjet in den letzten beiden Wochen die Arbeit der Regierung attackiert. Er erklärte auch kurzerhand die längst bekannten Fristen für die Privatisierung für null und nichtig. Jelzin reagierte darauf sofort, indem er jegliche Abweichung gewisser Amtspersonen von seinen vorhergehenden Privatisierungs-Erlassen durch einen neuen Ukas unter Strafe stellte.

Gestern unternahm die Chasbulatow- Fraktion im Obersten Sowjet den Versuch, dem Präsidenten im Falle der Ablösung des Verteidigungs-, Sicherheits-, Innen- oder Außenministers die Ernennung von deren Nachfolgern zu untersagen. Die Doppelherrschaft von Exekutive und Legislative und die damit verbundene Rechtsunsicherheit lähmt alle politischen Entscheidungen.

Während die Mitarbeiter des Präsidenten eilig ihre Urlaube abbrachen, fuhr Innenminister Jerin am 9. August in die Ferien – ein neuer Anlaß für Spekulationen. Wenn auch dieser Minister von seinem Posten schiede, würde von allen Geheimdiensten und Sicherheitsstrukturen nur noch die Armee über eine funktionsfähige Führung verfügen. Könnte sich dann die Konstitution wirklich auf sie stützen? Und welche Konstitution, die vielfach geflickte alte – oder die neue, die Jelzin noch in diesem Herbst auf die Beine stellen muß, wenn es nicht nur bei Worten über Wahlen bleiben soll? Aus der Ecke der Altkommunisten kam gestern der Vorwurf, Jelzin plane einen Putsch; Jelzins besonnener Chefberater Sergej Filatow hatte erst am Mittwoch derartige Spekulationen zurückgewiesen. Seiten 10 und 13

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