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Wedemeier bleibt, Kunick geht

■ SPD-Sonderparteitag: Wedemeier bleibt bis 1995 Bürgermeister — der Spitzenkandidat wird erst 1994 bestimmt

„Haut hier nicht die Leute reihenweise um“, hatte Bildungssenator Henning Scherf gemahnt. Er als einer der letzten von über 30 Rednern auf dem SPD-Sonderparteitag am späten Mittwoch abend im Casino der Stadtwerke Bremerhaven mußte feststellen: „Ihr scheint zu glauben, wer am meisten in die Fresse haut, ist der größte Demokrat.“ Wenig später war die Partei ohne Führung. Konrad Kunick, Parteichef seit gut vier Monaten, hatte die Faxen dick und trat zurück: „Wenn hier auch alles am Stuhl klebt, ich klebe nicht. Der Landesvorstand bedankt sich für die kurzen vier Monate und kehrt in eure Mitte zurück.“

Bürgermeister Klaus Wedemeier und Fraktionschef Claus Dittbrenner wurden leicht blaß im Gesicht. „Ein feiger Meuchelmord“, rief Karl-Heinz Schönberger, Betriebsratsvorsitzender beim Vulkan, und trat ebenfalls von seinem SPD-Vorstandsmandat zurück. Ilse Janz gab ihm recht: „So wie das hier gelaufen ist, nach der Diskussion im Landesvorstand, steckt da eine Strategie hinter.“ Selbst Kunick räumte ein: „Ich habe damit gerechnet, das so etwas passiert.“

Verrat lag in der Luft. Ein geschlossener Landesvorstand sollte auf dem Parteitag Führungsstärke demonstrieren. Der Antrag: Klaus Wedemeier bleibt Bürgermeister und wird Spitzenkandidat für die Wahl 1995. Die Kandidatensuche ist beendet, eine Basisbeteiligung fällt mangels Alternativbürger

Wedemeier, kampflustig entflammtFoto: taz

meister aus.

Zwei Wochen vorher hatte Kunick selbst noch deutliche Kritik an Wedemeier geäußert. Seine Moderatorenrolle im Senat reiche nicht aus, um sozialdemokratisches Profil in der Ampel- Regierung herauszuarbeiten. Zum Parteitag kam dann per Vorstandsantrag ein Freibrief für den Bürgermeister. Kunicks Erklärungsversuch: „Ich entschuldige mich bei euch, da ist etwas fürchterlich schief gegangen.“

Kunicks Entschuldigung kam nicht in der gewünschten Form an. „Wir werden hier keine Ergebenheitsdebatte führen, das ist unsolidarisch, heimtückisch und feige“, schimpfte die Delegierte Renate Meyer-Braun. Und An

hierhin bitte

den Redner vor

SPD-Emblem

gelika Pensky vom Landesvorstand forderte erneut eine Dis- kussion über Wedemeier. „Niemand hat Schonzeit. Mit Wedemeier werden wir 1995 nicht die stärkste Fraktion, und Wedemeiers Niederlage ist unsere Niederlage.“

Den GenossInnen kochte das Blut in den Adern. Schuldzuweisungen, wer denn für die desaströse Personaldebatte der letzten Wochen verantwortlich sei, Rücktrittsforderungen an Vorstandsmitglieder, Zwischenrufe: „Lügner“, „Heuchler“. Dann Gegenvorschläge: „Wir können doch nicht die Kandidatensuche beenden, bevor wir sie begonnen haben“, meinte der Delegierte Norbert Schulz, „das ist sonst der

Übergang von der Peinlichkeit in die Lächerlichkeit.“ SPD-Vorstandsmitglied Heiner Erling warnte da noch vor Änderungen des Kunick-Antrages. „Wir haben da ein Paket geschnürt, das nur funktioniert mit dem Landesvorstand und einem Bürgermeister Wedemeier.“

Wedemeier konterte auf Kritik mit Frontalangriff: „Ausgerechnet die, die hier von Kungelrunden reden, kennen die Hinterzimmer am besten.“ Dann nahm er die Genossen in die Pflicht: „Ich brauche einen freien Kopf, um 7.000 Arbeitsplätze zu sichern, die in Bremen unmittelbar gefährdet sind.“

Die Delegierten sprachen Wedemeier für die zweite Hälfte der Legislaturperiode das Vertrauen aus, über die Spitzenkandidatur für 1995 wollen sie aber erst nach der Bundestagswahl entscheiden. Damit war der Antrag des SPD- Landesvorstandes weitgehend geändert worden. Dann platzte die Bombe.

Heiner Erling, SPD-Schatzmeister, der vorher noch von einem „Gesamtpaket“ mit Wedemeier und Landesvorstand gesprochen hatte, ließ einen Antrag abstimmen, der dem gesamten Landesvorstand das Mißtrauen aussprach. Kernsatz: „Das politische Vertrauen in den Vorstand ist gestört.“

„Wir hatten in der Landesvorstandssitzung über diesen Punkt gesprochen“, erinnerte sich Karl- Heinz Schönberger gestern. „Und Konrad (Kunick, d. Red.) hat gesagt: Wenn das passiert, trete ich zurück.“ Erling erklärte dagegen: „Ich wollte eine geordnete Neuwahl, damit die ganze Geschichte nicht an zwei Genossen hängenbleibt.“ Mit 69 Stimmen wurde der Antrag angenommen, 58 Delegierte stimmten dagegen, 24 enthielten sich. Kommentar Kunick: „Das Establishment trickst die jungen Leute aus, die noch nicht politikfähig genug sind, solche Strategien zu durchschauen.“

Eine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz wollte Kunick gestern nicht ausschließen. Der SPD-Restvorstand kommt am Sonntag zusammen, um einen Landesparteitag einzuberufen, auf dem ein neuer Vorsitzender gewählt werden soll — möglichst vor dem Halbzeitparteitag am 18. September. Markus Daschner

Vgl. auch S. 4, 10, 30, 36

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