: Schicke Räder, schwere Blessuren
■ Mountain-Bikes sind zwar schneller und komfortabler, aber auch gefährlicher
Mit einem einfachen Dreigang- Rad traut sich heute niemand mehr auf die Straße. Ein Fahrrad ohne High-Tech-Accessoires ist nichts mehr wert. Ohne „Biopace“-Zahnkränze, „Hyperglide“- Schaltung und Gel-Sattel macht das Radeln keinen Spaß mehr. Zudem sind die noblen Mountain- oder Trekking Bikes ab tausend Mark auch wirklich schneller. Ob die bessere Technik das Radfahren auch sicherer gemacht hat, ist allerdings umstritten. Verkehrspsychologen sehen in den eigentlich fürs Gelände konstruierten Mountain- Bikes ein gefährliches Spielzeug, Biker verteidigen ihr neon-glänzendes, umweltverträgliches Statussymbol wie Autofahrer ihre Alu-Felgen.
Statistische Daten über die Unfallhäufigkeit bei MTBs und Normalrädern gibt es noch nicht. Horst Schulze, Verkehrspsychologe bei der Bundesanstalt für Straßenwesen, hat jedoch beobachtet, daß die Unfälle mit Mountain-Bikes in den neuen Bundesländern kurz nach der Wiedervereinigung stark zugenommen haben. Ungeübte Fahrer, die jahrzehntelang Räder mit Rücktrittbremse gefahren hätten, seien nicht in der Lage gewesen, die schnellen Mountain-Bikes sicher zu lenken und rechtzeitig zu bremsen. „Je besser die High- Tech-Fahrräder werden, um so größer wird die Gefahr, daß die Radler die Technik nicht mehr beherrschen“, meint Schulze. Besonders gefährdet seien Kinder, die sich mit den schnellen Mountain- Bikes dem Aktionsradius ihrer Eltern entzögen. „Die Jungs wollen sich beweisen, und die Verletzungen sind desto schwerer, je schneller die Räder sind.“
Der Unfallchirurg Cornelius Würtenberger vom Klinikum Steglitz hat gleichfalls festgestellt, daß in den letzten Jahren immer mehr Radler mit schweren Blessuren eingeliefert wurden. Fahrradfahrer, die auf seiner Station behandelt würden, seien meistens an Kopf, Armen und Beinen sowie an den Schultergelenken verletzt, sagt der Mediziner. Allgemein seien die Verletzungen der Fahrradfahrer in den vergangenen Jahren schlimmer geworden. „Die moderne Fahrradtechnik gibt den Radlern ein erhöhtes Stabilitätsgefühl, so daß sie sich im Geschwindigkeitsrausch subjektiv sicherer fühlen.“
Der Berliner Fachwart für Mountain-Bikes, Gerald Schultz, ist da anderer Meinung. Wie gefährlich ein Fahrrad sei, hänge allein vom Fahrer ab. „Ich bin aber froh, wenn Eltern ihren Kindern Mountain-Bikes kaufen, die bessere Bremsen haben und weniger störanfällig sind“, sagt Schultz. Die Kinder müßten, egal ob sie ein Rennrad oder ein MTB hätten, lernen, mit dem Verkehr klar zu kommen. MTBs seien aus den besten Materialien, die Schaltung sei günstig am Lenker montiert, und die zugstarken Felgenbremsen würde jeder, auch wenn er an eine Rücktrittbremse gewöhnt sei, nach kurzer Zeit beherrschen: „Es gibt einige, die das Mountain Bike als Statussymbol benutzen, ohne es fahren zu können – aber solche Leute gibt es überall.“ Rüdiger Soldt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen