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Ist Pamukkale noch zu retten?

■ Trotz Widerstands von Umweltgruppen geht die touristische Erschließung weiter

„Es ärgert mich, daß in der Branche immer noch kein Umdenken eingesetzt hat“, bringt Hans Wernhardt von Studiosus-Reisen seine Gefühle auf den Punkt: „Immer noch wird mit Bildern geworben, auf denen sich die Touristen in den Sinterterrassen von Pamukkale sonnen oder darin herumlaufen.“

Dabei bedrohen die Touristen und die Reiseindustrie selbst eines der wohl bekanntesten Aushängeschilder des Türkei-Tourismus. Das kalkhaltige Thermalwasser, das die weltbekannte Phantasielandschaft bildet, wird seit einigen Jahren immer mehr für die Hotels in der unmittelbaren Nachbarschaft gebraucht: Massentourismus ist eingezogen in den kleinen Ort bei Denizli in der Westtürkei. Die Urlauber, viele auch aus Deutschland, kommen auf ihren Rundreisen am Nachmittag mit dem Bus an, beziehen ihre Hotels, waschen sich den Staub von der Fahrt im hoteleigenen Swimmingpool ab und duschen vor dem Abendessen ausgiebig. Sogar ein Motel mit zwei Schwimmbädern gibt es. Eines im Freien und ein Hallenbad, damit die Urlauber auch bei kaltem Wetter nicht auf ihr tägliches Schwimmen verzichten müssen.

Am zweiten Tag des Aufenthaltes ist Fototermin vor den im Sonnenlicht strahlenden Sinterterrassen, dann werden die Reisegruppen durch die antike Stadt Hierapolis geschleust, baden im Thermalbad, und um 12.00 Uhr mittags ist der ganze Spuk vorbei. Die Urlauber sind unterwegs zur nächsten Sehenswürdigkeit, Pamukkale rüstet sich für einen weiteren Ansturm.

Vor einem Jahr hatte die Arbeitsgemeinschaft „Tourismus mit Einsicht“ im Namen der „Grünen Partei“/Izmir und der Umweltschutzgruppe „SOS Akdeniz“ (Mittelmeer) zum Boykott von Pamukkale aufgerufen und um eine Stellungnahme von den Reiseunternehmen gebeten. So unterschiedlich die Antwortschreiben ausfielen, einen Grundtenor hatten sie: „Die großartige Sehenswürdigkeit der Sinterterrassen ist ernsthaft in Gefahr, und alles Mögliche zu ihrer Rettung muß unternommen werden“, meinte die Vorsitzende des Umweltausschusses des Deutschen Reisebüroverbands, Beate Serrano. Aber ein Jahr nach dem Aufruf ist außer bei Studiosus noch nichts passiert. Das Münchner Reiseunternehmen hatte den Aufruf der Umweltschützer aus der Türkei ernst genommen und ließ sich von ihnen Verhaltensmaßregeln geben für die Besuche in Pamukkale. „Die Gäste müssen in einiger Entfernung zu den Sinterterrassen Quartier beziehen und die Reiseleiter sollen die Urlauber bitten, besondere Vorsicht und Zurückhaltung bei den Terrassen walten zu lassen. Vor allem hätten die Touristen auf die Schilder zu achten, die ein Betreten der Terrassen verbieten. Mit dem Parken der Busse am Beginn der Straße nach Pamukkale und einer kleinen Wanderung zu den Sehenswürdigkeiten lassen sich die besonders belastenden Abgase in unmittelbarer Nähe der Felsen vermeiden. Abgase, die auch den antiken Ruinen von Hierapolis zusetzen.“

„Die Kunden hatten großes Verständnis für unsere Maßnahmen – vor allem nachdem sie von den vorab informierten Reiseleitern auf die Probleme aufmerksam gemacht worden waren. Bedauerlich ist nur“, wiederholt Hans Wernhardt noch einmal, „daß es in der Branche keine größere Resonanz auf den Aufruf der Umweltschützer gegeben hat.“

Dem süddeutschen Reiseunternehmen „Hetzel-Reisen“ ist die Umwelt ebenfalls ans Herz gewachsen. Deshalb beschäftigte das Unternehmen seit einiger Zeit eine Teilzeit-Umweltbeauftragte. Die Firma hatte sich sogar an das Türkische Kulturministerium gewandt und von Generaldirektor Mithat Sirmen Antwort erhalten: „Pamukkale wird von der Unesco und anderen Organisationen als besonders schützenswertes Kulturerbe eingestuft. Um die Felsen dauerhaft zu schützen, besteht der Plan, die bestehenden Gebäude in Pamukkale in einer angemessenen Zeit zu entfernen.“ Weiter erwähnte der Generaldirektor, daß die antiken Gebäude restauriert und die Sinterterrassen mit dem Thermalwasser ausgeweitet werden sollen. Außerdem sei geplant, drei Millionen US-Dollar für den Plan zur Erhaltung von Pamukkale aufzuwenden. Im Katalog von „Hetzel-Reisen“ oder in der Öffentlichkeitsarbeit der Firma hat die Erkenntnis über Pamukkale keinen Niederschlag gefunden.

Einer schweigt beharrlich seit zwei Urlaubssaisons: Der Mann von der TUI, der sich nach den großformatigen Anzeigen eigentlich „um jeden Dreck kümmern soll“, setzt für sich und sein Unternehmen andere Prioritäten. „Priorität haben für mich die Umweltbelange in Spanien“, sagte Dr. Wolf Michael Iwand. Das türkische Naturwunder Pamukkale war ihm nicht einmal das Antwortschreiben an die Umweltschützer wert, „deren Zusammenarbeit er sonst auf allen Ebenen sucht“.

Die Proteste der Umweltschützer und die Lippenbekenntnisse der Tourismusindustrie nützen wenig: Der Boom in die billige Türkei geht trotz sinkender Konjunktur in Westeuropa weiter, auch wenn er zu Zeit wegen der politisch motivierten Anschläge auf Touristen Rückschläge hinnehmen muß: Letztes Jahr verbrachten allein 1,3 Millionen Deutsche ihren Urlaub dort und dieses Jahr werden es nicht viel weniger sein. Die Sinterterrassen von Pamukkale wurden von keinem Anbieter aus dem Katalog genommen. Pamukkale gehört einfach zum Rundreiseprogramm.

Vielleicht demnächst unter folgender Überschrift: „Besuchen Sie Pamukkale, solange es die Sinterterrassen dort noch gibt!“ Jürgen Hammelehle

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