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Bahnreform? So nicht!

Die Länder machen ihre Zustimmung zur Bahnreform von mehr Geld abhängig / Nach der Bahnreform Chaos im Nahverkehr befürchtet  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Die Gespräche sind ein Pokerspiel um die Milliarden“, beschreibt Klaus-Dieter Scholz, Pressesprecher im Verkehrsministerium, die Diskussionen mit den Länderchefs über die Bahnreform. Nicht nur subalterne Bürokraten beschäftigen sich seit geraumer Zeit damit. Inzwischen verhandeln auch die Chefs der Landesregierungen von Hessen, Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin mit Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann. Der Bundesrat hat diese parteiübergreifende Crew beauftragt, die Interessen der Länder zu vertreten. Es geht um sieben Milliarden Mark.

Vor einigen Monaten hatte Finanzminister Theo Waigel bei einer seiner zahlreichen Kürzungsaktionen klammheimlich versucht, die Kosten für das Bahndefizit einfach aus dem Bundeshaushalt zu streichen und den Ländern zuzuschieben. Inzwischen ist aber klar, daß die Länder Ausgleichszahlungen für ihre neue Aufgabe bekommen werden. Aber während die Bundesregierung außer den 6,3 Milliarden für die Gemeindeverkehrsfinanzierung lediglich 7 Milliarden zusätzlich an die Länder überweisen will, verlangen diese 14 Milliarden Mark. Nur so könne ein Kahlschlag beim grundsätzlich defizitären Nahverkehr verhindert werden. Außerdem wollen sie ihre Zustimmung davon abhängig machen, daß der Bund auch nach der Bahnprivatisierung die Verantwortung über das gesamte Schienennetz behält.

Nach Vorstellung des Verkehrsministers sollen die Gleise hingegen, genau wie der Güter- und Personenverkehr, von einer Aktiengesellschaft betrieben werden. Wissmann hat den Ländern und Kommunen gedoht, daß ohne seine Reform der Bahn Streckenstillegungen und Angebotsausdünnung nicht auszuschließen seien. Eine Durchsetzung der Reform nach seinen Vorstellungen aber hätte womöglich die gleiche Konsequenz.

Die Länderchefs, die einmütig wie selten zuvor handeln, haben einen entscheidenden Trumpf in der Hand: Ohne ihre Zustimmung im Bundesrat ist die notwendige Änderung des Grundgesetzes nicht möglich. Und Verkehrsminister Wissmann steht unter Zeitdruck. Die Bahnreform soll am 1. Januar 1994 in Kraft treten. „Darauf sind alle finanziellen Berechnungen aufgebaut“, so Pressesprecher Scholz. Ende September soll der Bundestag das Gesetz verabschieden; dann fehlt noch das entscheidende Ja vom Bundesrat.

Sollte das Gesetz zum Anfang des nächsten Jahres tatsächlich in Kraft treten, droht vor allem im Nahverkehr ein Chaos. Denn in den Gemeinden und Kreisen sind noch keine entsprechenden Verwaltungen eingerichtet, die die Züge bei der Bahn bestellen könnten. Andererseits kann die Bahn kaum davon ausgehen, daß die Gebietskörperschaften brav die Rechnungen begleichen, die ihnen die Bahn für die Leistungen schickt, die sie gar nicht in Auftrag gegeben haben. Experten gehen davon aus, daß der Aufbau einer derartigen neuen Struktur nicht in ein paar Monaten zu bewerkstelligen ist. Und auch bei den Bahnen selbst sind die Konzepte für die Zeit nach der Umwandlung in die Deutsche Eisenbahn AG (DEAG) erst rudimentär entwickelt. Es steht zu befürchten, daß die Bahn noch weiter aufs Abstellgleis fährt als bisher schon.

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