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Null Chancen

■ Betr.: "Fünfte Gewalt PR", taz vom 11.8.93

betr.: „Fünfte Gewalt PR“,

taz vom 11.8.93

Der Artikel vermittelt den Eindruck, als ob der Urheber einer Pressemitteilung mit der Pistole hinter den RedakteurInnen steht und diese unter Erschießungsandrohung zwingt, das PR-Material in der Zeitung zu veröffentlichen. Vielmehr ist es häufig vorauseilender Gehorsam, wenn ein Redakteur oder eine Redakteurin zur Pressemitteilung greift, denn die koschtet den Verlag ja nix, anstatt zum angedienten Beitrag eines freien Journalisten. Dafür muß Honorar gezahlt werden, und die Etats dafür sind eigentlich in allen Zeitungshäusern knapp. Gerade so wie bei der taz.

Als frei arbeitender Journalist ärgert es mich immer fürchterlich, wenn ich in durchaus renommierten Zeitungen Pressemitteilungen mehr oder weniger unredigiert wiedersehe, die ich für PR-Kunden geschrieben habe, und ich mir bewußt bin, daß ich als freier Journalist mit einem Artikel-Angebot an die Redaktion null Chancen gehabt hätte. Die Krönung ist, wenn eine Nachrichtenagentur die Pressemitteilung aufgreift und diese, meistens nur etwas gekürzt, über Ticker eine massenhafte Verbreitung in die Medienredaktionen findet. Mit dem Kürzel der Agentur wird das PR-Material veredelt und zur seriösen Nachricht. Ich möchte nicht wissen, wie viele Agenturmeldungen schon in der taz standen, hinter der eine nackte PR- Meldung stand, die ein freier Journalist für einen PR-Kunden geschrieben hat.

Daß dieses freie JournalistInnen tun, hängt mit den mehr als mageren Honoraren zusammen, die von Verlagen gezahlt werden. Verdient ein Freier bei der Zeitung, wenn's wirklich sehr gut läuft, 40 Mark die Stunde, zahlt ein PR- Kunde mindestens 80, gewöhnlich aber 100 und mehr Mark für die Schreibdienste. Untersuchungen haben ergeben, daß ein freier Journalist mindestens 60 Mark die Stunde braucht, um finanziell anständig wie angestellte RedakteurInnen leben zu können.

Daß PR-Material den Markt überschwemmt, liegt nicht zuletzt auch an der rasant wachsenden Zahl freier JournalistInnen, die wegen des Honorardrucks der Verlage diese PR-Dienstleistung in wachsendem Maße anbieten, weil sie auf dieses Zubrot angewiesen sind. Schuld an dieser PR- Schwemme, unter der in erster Linie das Informationsbedürfnis der LeserInnen auf der Strecke bleibt, ist nicht nur die böse Industrie, die zum Teil wahnwitzig viel Geld für Öffentlichkeitsarbeit ausgibt. Schuld haben auch die RedakteurInnen, und die Verlage, die, um Kosten zu sparen, die Entwicklung weitgehend klaglos hinnehmen. Die taz ist dabei keine Ausnahme. Uwe Roth, IG Medien,

Vorsitzender Fachgruppe

Journalismus, Bezirk Stuttgart

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