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Beste Luft. Lärmkulisse: Düsendonner

Im idyllischen Nordsaarland üben Nato-Militärjets über einem Luftkurort / Bürgermeister bietet Bundeswehrsoldaten Kuren an / Rühe sieht dafür „keinen Bedarf“  ■ Aus Weiskirchen Frank Thewes

In Herbert Schwamms hessischem Heimatdorf rattert seit Wochen ein Preßlufthammer vor dem Haus. Das könnte ihm eigentlich egal sein, denn Schwamm ist gerade im Saarland zur Kur. Doch der Lärm im Kurort Weiskirchen, klagt Schwamm, „raubt mir endgültig den Nerv“. Fast pausenlos übertönen Nato-Militärjets im idyllischen Nordsaarland Vogelgezwitscher und sogar Platzkonzerte. „Die fliegen morgens, mittags und abends“, sagt ein Einheimischer. „Gartenarbeit wird zur Hölle.“ Bei Magda Merkert in der benachbarten Stadt Wadern mußte neulich sogar der Kindergeburtstag von der Terrasse ins Wohnzimmer verlegt werden, „weil es da draußen nicht mehr auszuhalten war“. Vor allem bei schönem Wetter ist die Übungs-Trasse über dem Saarland, die allen Nato-Staaten zur Verfügung steht, fast immer ausgebucht. „Ständig“, so Magda Merkert, „ist etwas über einem in der Luft und dröhnt da rum.“

Proteste helfen wenig: Zwar können sich die Bürger beim Luftwaffenamt Köln zum Ortstarif (0130/86 20 73) beschweren, doch dort sind die Leitungen ständig überlastet. Lärmgeplagte erzählen von bis zu 40 Anrufen, bis sich statt des Besetztzeichens ein Stabsoffizier oder der Anrufbeantworter meldet. Fazit von Magda Merkert: „Die sind halt am meisten abgerüstet worden.“

Allerdings sind auch die lärmenden Tiefflüge bundesweit eingeschränkt worden. Nach einem internen Bericht des Bundesverteidigungsministeriums sank die Zahl der Flugstunden unter 1.000 Meter Höhe von 88.000 im Jahr 1980 auf jetzt 22.000. Seit September 1990 dürfen nach Anordnung des damaligen Verteidigungsministers Gerhard Stoltenberg keine Tiefstflüge unter 300 Meter mehr stattfinden. „Es ist sicherlich besser geworden“, sagt Jürgen Wiehe vom Kommunalen Bundesverband gegen Tieffluglärm. „Aber auch der Restlärm ist kaum auszuhalten.“ Mit Spannung erwarten die Tieffluggegner eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin, das auf Antrag des niedersächsischen Landeskreises Cloppenburg einen Flugstopp wenigstens über Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen verhängen soll.

Jahrelang hat sich die Bundesregierung hinter ihren begrenzten Einflußmöglichkeiten vor allem gegen amerikanische Übungsflüge verschanzt. Doch das anderen Staaten Flugrechte gewährende Nato-Truppenstatut wird zur Zeit gerade neu verhandelt. Künftig sind nach einem entsprechenden Zusatzabkommen alle Militärübungen der Nato-Streitkräfte von der Zustimmung deutscher Behörden abhängig. „Die Einstellung von Luftkampfübungen über der Bevölkerung“, so der saarländische Innenminister Friedel Läpple (SPD), „liegt dann allein in der Kompetenz der Bundesregierung.“

Auf deren Einsicht setzt auch Weiskirchens CDU-Bürgermeister Bernd Theobald: In einem eindringlichen Brief an Verteidigungsminister Volker Rühe beklagt er „ohrenbetäubenden Lärm mit nervenzerreißendem Dröhnen und Angst einjagendem Überschallknall“. Das Ministerium verspricht in einem Antwortschreiben „eine gleichmäßigere Verteilung der insgesamt abnehmenden Lärmlast“. Langfristig sei nämlich die „Verlegung von Luftwaffeneinheiten in die neuen Bundesländer und eine Nutzung des Luftraums der neuen Länder vorgesehen“.

An dem Angebot des Weiskirchener Bürgermeisters, Bundeswehrsoldaten zum Kuren ins nördliche Saarland zu schicken, ist das Verteidigungsministerium allerdings nicht interessiert: Dafür, so die Hardthöhe, bestehe „kein entsprechender Bedarf“.

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