„Ich glaube, es läuft auf Frieden hinaus“

Die Kontrahenten im Konflikt zwischen Georgien und Abchasien begannen, ihre Truppen um Suchumi zurückzuziehen / Mühsame Suche nach neuer Regierung in Georgien  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Auf die Frage von Journalisten, ob dies der Anfang des Friedens in Georgien sei, antwortete Eduard Schewardnadses Pressesprecher Reso Egadse: „Ich glaube, darauf wird es hinauslaufen. Ich bin sehr optimistisch“. Die Entzerrung der georgischen und abchasischen Truppen um Suchumi verlief bis gestern nachmittag im großen und ganzen erfolgreich, wenn auch mit kleinen Verstößen beider bisher kontrahierender Seiten und mit Abweichungen vom Zeitplan.

Georgier und Abchasier beteuerten, an dem Plan festhalten zu wollen, der nun bis zur Nacht zum kommenden Freitag erfüllt werden soll. Am Montagabend veranstalteten alle Beteiligten ein gemeinsames Freudenfeuerwerk, bei dem die bisher eingesammelten Minen gleichzeitig zur Detonation gebracht wurden. Die Beseitigung der Minen von Straßen und Brücken verläuft zügig. Nicht alle abchasischen Panzer konnten aus der Konfliktregion zurückgezogen werden, aber Zündschlösser, Visiere und Schaltpulte wurden abmontiert und von der gemeinsamen abchasisch-russisch-georgischen Kontrollgruppe unter Teilnahme von UN-Beobachtern versiegelt. Die Truppen zogen sich im wesentlichen in den Ort Novyj Athon zurück. Georgische Soldaten und – stillgelegte – Panzer konzentrieren sich jetzt, wie vorgesehen, etwa 20 Kilometer weiter um die Stadt Dranda. An der östlichen Grenze der Konfliktzone allerdings beschossen georgische Schützen zweimal in 24 Stunden ein abchasisches Dorf mit Maschinengewehren. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.

Inzwischen fand am Montag die dreimal aufgeschobene Sitzung des georgischen Parlamentes statt, in deren Verlauf Eduard Schewardnadse eine neue Regierungsmannschaft zur Diskussion stellen sollte. Staatschef Schewardnadse verwaltet nach dem Rücktritt der Regierung Sigua provisorisch auch das Amt des Premierministers. Einziges Ergebnis der Debatten: Diese Posten sollen auch weiterhin in einer Hand bleiben. Die Minister der alten Regierung amtieren vorübergehend weiter, und Schewardnadse begab sich gestern zum Staatsbesuch nach Turkmenistan.

Nach Abschluß des georgisch-abchasischen Waffenstillstandes Ende Juli hatte der georgische Präsident es vorgezogen, sich direkt an die Bevölkerung zu wenden. Meinungsumfragen zufolge unterstützen etwa 60 Prozent diesen Schritt. Allerdings sind 30 Prozent äußerst erbittert dagegen, ebenso wie etwa die Hälfte der Parlamentarier. Die Polarisierung der politischen Kräfte in der Legislative, ebenso wie Stammes-, Familien- und Parteieninteressen machen die Suche nach einem neuen Premier zum komplizierten Puzzlespiel.

Keiner weiß, wie es weitergehen soll

„Das Interessanteste an dieser ganzen Situation ist, daß keinerlei Informationen aus dem Parlament nach draußen sickern“, spottete die Moskauer Zeitschrift „Megapolis-Express“, dies sei aber keinesfalls auf überdurchschnittliche Schweigsamkeit der georgischen Amtsträger zurückzuführen, sondern darauf, „daß wirklich niemand weiß, wie es weitergehen soll“.

Im Moment stützt sich der Präsident auf einige alte Kampfgenossen im Parlament, wie Dschaba Iosselani, außerdem auf die Vertreter der um die Stadt Batumi gelegene Region Adscharien und auf eine breite Koalition kleinerer Parteien. Diese haben sich letzte Woche zu einer Dachorganisation zusammengeschlossen: dazu gehören Nationaldemokraten, Grüne, Liberale und ein paar Dutzend zentristischer Abgeordneter.

Der Schewardnadse opponierende Block besteht aus der außerparlamentarischen Opposition des Privat-Heerführers Tengis Kitovani, dem Ex-Bürgerrechtler Irakli Zereteli und dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Sowjet Akaki Asatiani. Für einen Krieg bis zum siegreichen Ende treten auch viele Vertreter der Tbilissier Intelligenz und – natürlich – die Anhänger des gestürzten national- faschistischen Ex-Diktators Swiad Gamsachurdija ein.

Auf dem Programm der ständig in Suchumi tagenden vereinten georgisch-russisch-abchasischen Kommission steht jetzt die Frage der Rückführung von Flüchtlingen und die Schaffung von Bedingungen, unter denen die legitimen Machtorgane der Republik Abchasien und der Stadt Suchumi ihre Tätigkeit wiederaufnehmen könnten. Dies war die Voraussetzung, unter der sich die abchasische Exil-Regierung in Gudauta trotz beträchtlicher eigener militärischer Erfolge bereit erklärt hatte, die Kontrolle in der Region Spezialtruppen des georgischen Innenministeriums zu überlassen.

Welche Organe allerdings als legitim zu betrachten sind, darüber herrschte bisher Uneinigkeit zwischen der georgischen Führung und den Gefolgsleuten des Vorsitzenden des abchasischen Vorkriegs-Parlamentes, Ardsinba. Unter georgischer Ägide wurde in Suchumi ein konkurrierender „Ministerrat der Abchasischen Autonomen Republik“ formiert. Sprecher des letztgenannten Gremiums beschuldigten die Exilregierung, einer „Politik der ethnischen Säuberung“ und gebürtige Georgier aus dem Bezirk Gudauta zu vertreiben. Dem läge der Beschluß eines Ältestenrates zugrunde, daß das georgische und abchasische Volk nach dem Geschehenen nicht mehr zusammenleben könnten.