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SPD-Chuzpe nach Polizeidesaster in Fulda

■ Für die Landesregierung hat die hessische Polizei in Thüringen gute Arbeit geleistet / Journalisten schuld an Neonazi-Aufmarsch? / Neue Schuldzuweisungen

Frankfurt/Main (taz) – Auch drei Tage nach der „unerträglichen Demonstration“ (SPD) von Neofaschisten in Fulda ist die hessische Landesregierung offenbar noch nicht bereit, personelle und organisatorische Konsequenzen aus dem Desaster der hessischen Exekutivorgane vor Ort zu ziehen. Im Gegenteil: In einer Presseerklärung lobte Regierungssprecher Erich Stather das „entschiedene Eingreifen der hessischen Polizei“ – an der Landesgrenze zu Thüringen. Und der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Kurt Weidmann, sattelte noch drauf: „Ohne die vorbildliche Amtshilfe aus Hessen hätte das CDU-regierte Thüringen erhebliche Probleme gehabt“, schrieb Weidmann im Informationsdienst seiner Partei. Die Bundesregierung, so Weidmann in Reaktion auf die Kritik von CDU-Generalsekretär Hintze an den Ereignissen in Fulda, habe mit ihrer verfehlten Sozial- und Wirtschaftspolitik schließlich den Nährboden für den Rechtsradikalismus bereitet: „Und alles Porzellan, das in Bonn mutwillig zerschlagen wird, läßt sich nicht in Hessen flicken.“ Um die sozialdemokratische Chuzpe auf die Spitze zu treiben, nahm die Landtagsabgeordnete Silvia Hillenbrand noch schnell die „Medienvertreter“ verbal unter Beschuß: Für eine „fetzige Schlagzeile“ hätten die vorinformierten Journalisten das rechtsradikale Spektakel in der Domstadt „bewußt in Kauf genommen“ und die Polizei uninformiert gelassen. Hillenbrand: „Diese Journalisten müssen für sich die ethische Frage beantworten, ob sie nur Beobachter oder auch Bürger dieser Gesellschaft sind.“

Die Grünen im hessischen Landtag begrüßten es gestern, daß Innenminister Günther seinen Urlaub abgebrochen hat, um persönlich die Untersuchungen „in die Hand zu nehmen“. Günther nahm – nach Redaktionsschluß – in Fulda Stellung zu den Ereignissen. Fritz Hertle (MdL/Grüne) forderte die unverzügliche Suspendierung aller Personen vom Polizeidienst, die für den Neonazi-Einmarsch nach und den ungestörten Neonazi-Aufmarsch in Fulda die Verantwortung getragen haben. Hertle: „Ein Einsatzleiter, der in dem militanten Neonazi-Aufmarsch keine Ordnungswidrigkeit erkennen kann und in Gegendemonstranten die Hauptgefahr sieht, ist fehl am Platz und muß von seiner Tätigkeit abgeordnet werden zu einer Tätigkeit, bei der sein Urteilsvermögen keinen weiteren politischen Schaden anrichten kann.“

In dieser Situation seien nicht Korpsgeist und Rechtfertigungen gefragt, sondern „lückenlose Aufklärung“ – möglicherweise im Rahmen einer Sondersitzung des Innenausschusses, die inzwischen von der SPD-Fraktion beantragt wurde.

Inzwischen sind bei der Staatsanwaltschaft in Fulda zwei Strafanzeigen eingegangen. Ein Bürger aus Wiesbaden erstattete Anzeige gegen den Einsatzleiter wegen „Strafvereitelung im Amt“. Und die Stadt Fulda, vertreten durch den Oberbürgermeister, zeigte die An- und Wortführer der Neonazis „aus allen rechtlichen Gründen“ an. Weiter regte der Magistrat der Stadt Fulda bei der Staatsanwaltschaft an zu prüfen, ob dem oder den Busunternehmen, die den Nazis die notwendige Mobilität verschafft haben, eine Mittäterschaft vorzuwerfen sei. Kpk

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