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Asylbewerber am Gängelband

■ Anwesenheit von Flüchtlingen wird täglich kontrolliert

Göttingen (taz) – Matthias Lange hat schon häufig erfahren, auf welche Art und Weise Asylbewerber in der Bundesrepbulik benachteiligt und schikaniert werden. „Dies aber“, kommentiert der Vorstandssprecher des niedersächsischen Flüchtlingsrates einen Bericht von Braunschweiger Sozialarbeitern, „ist wirklich das stärkste Stück von Gängelung und Reglementierung, das wir seit langem erlebt haben.“ In Velpke im Landkreis Helmstedt hat das Sozialamt Anfang August einen Mitarbeiter damit beauftragt, täglich die in der Samtgemeinde lebenden Flüchtlinge zu kontrollieren. Die in verschiedenen Einrichtungen untergebrachten Asylbewerber, derzeit rund 50 Personen, müssen mit ihrer Unterschrift ihre Anwesenheit bestätigen.

Während Matthias Lange und seine Vorstandskollegen vom Flüchtlingsrat von „Gefängniswärtermethoden“ und einem „unglaublichen, rechtlich durch nichts gedeckten Skandal“ sprechen, kann man in der Sozialbehörde von Velpke die ganze Aufregung nicht verstehen. Amtsleiter Peter Banas bestätigt die täglichen Rundfahrten des Kontrolleuers, wirbt aber um Verständnis: „Weil die Gemeinde für die Auszahlung der Sozialhilfe verantwortlich ist, müssen wir gewährleisten, daß die Flüchtlinge auch wirklich hier sind.“ Viele Asylbewerber tauchten ab und wohnten häufig gar nicht mehr dort, wo sie gemeldet seien. Er habe „den Verdacht“, so Banas, daß viele Flüchtlinge „einfach nur kassieren wollen.“

Daß sich die Behörde bei der täglichen schriftlichen Registrierung der Betroffenen auf keinerlei Gesetze oder Erlasse stützen kann, ist dem Amtsleiter bewußt: „Wir denken aber, daß wir das im Rahmen unserer Organisationshoheit schon machen können.“

Schließlich werde die Maßnahme auch nicht „ganz so strikt“ vollzogen. Nicht jeder Flüchtling, der an einem Tag nicht zu Hause angetroffen werde, bekomme gleich sein Geld gekürzt. „Nur wenn da an mehreren Tagen hintereinander die Unterschriften fehlen, forschen wir da weiter nach.“ Reimar Paul

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