: Minister streiten um Pflegeversicherung
■ Innen- und Justizministerium machen verfassungsrechtliche Bedenken geltend / Kabinett muß am Mittwoch den verabschiedeten Gesetzentwurf erneut beraten
Berlin (taz/AP) – Nach dem endlosen Tauziehen um die Karenztage kommt die Pflegeversicherung nun erneut ins Schlingern. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken des Bundesinnen- und des Justizministeriums muß sich das Kabinett am nächsten Mittwoch erneut mit dem Gesetz befassen.
Beide Ressorts hatten bereits bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfs am 23.Juni im Kabinett Bedenken geltend gemacht, die das federführende Arbeitsministerium jedoch nicht teilt. Das Kabinett beauftragte daraufhin das Arbeitsministerium, die offenen Fragen bis zum 25.August zu klären. Zweifelhaft ist nach einem Bericht der FAZ unter anderem, ob es verfassungskonform ist, freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte in die gesetzliche Pflegeversicherung einzubeziehen, ohne ihnen die Wahl zu lassen, sich privat zu versichern. Für problematisch hält das Innenministerium auch das Vorhaben, die privat Krankenversicherten per Gesetz dazu zu verpflichten, eine private Pflegeversicherung abzuschließen. Strittig ist weiterhin, ob es zulässig ist, den privaten Versicherungsunternehmen so weitreichende Auflagen bei der Schaffung einer privaten Pflegeversicherung zu machen, wie dies im Gesetzentwurf vorgesehen ist.
Für welchen Personenkreis die künftige Pflegeversicherung gelten soll, steht offenbar noch nicht fest. Wie der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums, Ludger Reuber, gestern bestätigte, bestehen darüber weiterhin unterschiedliche Auffassungen. „Noch ist nichts spruchreif. Gegenwärtig wird versucht, das in Gesprächen abzustimmen“, teilte auch Klaus Meyer, Sprecher des Bundesjustizministeriums, mit. Nach Auffassung des Justizministeriums ist die „entscheidende Hürde“, daß auch Beamten die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall an bis zu sechs Tagen im Jahr gestrichen werden soll. Dies verstoße gegen Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes.
Selbst die FAZ hält es für „bedenklich“, „daß immer weniger darauf geachtet wird, nur verfassungsrechtlich gesicherte Gesetze zu verabschieden“. Das Blatt verweist auf die Gesundheitsreform, die trotz verfassungsrechtlicher Bedenken von Bundesjustizministerium und Rechtsausschuß des Bundestages verabschiedet wurde.
Der Sprecher des Innenministeriums, Reuber, erklärte, die unterschiedlichen Auffassungen der Ressorts sollten im weiteren Gesetzgebungsverfahren geklärt werden. Viel Zeit bleibt dazu allerdings nicht mehr, denn Verzögerungen könnten den dicht gedrängten Terminplan für eine Verabschiedung der Pflegeversicherung in Bundestag und Bundesrat platzen lassen. win
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