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Nervenkrieg um Klöckner-Hütte

■ Empfang für Bremer Klöckner-Chef / Spekulationen um Verkauf / Wedemeier: „Bremer Lösung“ bis September

Gut 150 grau- bis graublau betuchte Herren füllten gestern vormittag die frisch renovierten Festsäale des Schütting, um das 25jährige Dienstjubiläum des Vorstandsvorsitzdenen der Bremer Hütte Klaus Hilker mit Reden, Sekt und Schnittchen zu feiern. Kaum eine Jubilarfeier sei „mit derart viel Spannung und innerer Anteilnahme erwartet worden“, formulierte Betriebsratsvorsitzender Peter Sörgel. Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Hütte stehen Schulter an Schulter, denn am 13. September will die EG-Kommission auf einer Konferenz in Genf von der deutschen Stahlindustrie wissen, welche Warmbreitbandstraßen stillgelegt werden sollen.

Die Großen der deutschen Stahlindustrie Thyssen und Krupp/Hoesch wollen ihre Kapazitäten dadurch sichern, daß sie Klöckner opfern. Davon sind Politik und Wirtschaft in Bremen überzeugt. Eine „Bremer“ Lösung würde 300 bis 500 Millionen Mark kosten. Verzweifelt wird zwischen Rathaus, Finanzressort, Klöckner, Vulkan und Stadtwerken nach einem Ausweg gesucht.

Der Aufsichtsratsvorsitzende des Klöckner-Konzerns, von Rohr, gab dem Jubilar tröstliche Worte auf den Weg: Bremen solle als integrierte Hütte erhalten werden, versicherte er. Aus Kreisen des Duisburger Klöckner-Konzerns wird die Bedeutung des 13. Septembers auch heruntergespielt: Man habe Zeit, die Bremer Hütte habe ihre Rohstahlkapazität um 30 Prozent gesenkt, man stehe gut da. Klar, man strebe „Kooperation“ an, aber „wenn es nicht besser ist, dann machen wir es allein.“ Daß der Klöckner-Konzern um jeden Preis die Mehrheit der Anteile abgeben wolle — keine Rede davon. Und selbst wenn: Der hölländische Stahlkonzern Hoogovens brauche ein modernes Warmwalzwerk wie es in Bremen

Jubilar Hilker (rechts) vor prominentem AuditoriumFoto: Wolfram Steinberg

steht. Und selbst Thyssen-Stahl werde bei einer Übernahme von Klöckner feststellen, daß die Bremer Hütte weit rentabler sei als das eigene Stammwerk. Mit solchen Argumenten versuchten die Duisburger Konzern-Vertreter am Rande der Festlichkeit die Lage zu entdramatisieren.

Die „Bremer“ Klöckner- Leute und auch die bremischen Politiker auf der Jubiläums-Feier glauben davon kein Wort. Die EG hat Stillegungsprämien ausgelobt, Thyssen hat dafür geboten, „buy and kill“, kaufe und töte ist das Thyssen-Konzept, glauben die bremischen Wirtschafts-Politiker. Thyssen ist für Sörgel „die sofortige Vernichtung des Werkes“. Der Hintergrund ist klar: Erst wenn die Kapazitäten durch Stillegungen verknappt werden, steigen die Stahl-Preise.

Der Bremer Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) hat seine Vorstellungen in einem internen Papier am 23.8. formuliert. Er geht dabei davon aus, daß die

Hütte dringend „Bargeld“ in Höhe von 300 Millionen brauche und eine „Liquiditätsverbesserung von bis zu 200 Millionen“. Wie - schreibt er nicht, verweist aber auf die direkten staatlichen Hilfen für die Stahlbranche im Saarland und in Niedersachsen. In der Woche vor dem 13. September müsse „entschieden sein, ob es eine (Bremer, d.Red.) Interessentenlösung gibt. Bis dahin ist auch die Rolle Bremens an dieser Lösung zu klären.“

Die könnte so aussehen, daß das Geld aus einem Stadtwerke- Verkauf in die Hütte gesteckt wird. Für Wedemeier ist das Interesse, das die Stadtwerke an Klöckner haben müssen, groß und zwingend: 34 bis 44 Mio. Ertragseinbruch drohen bei Stillegung der Hütte. Die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke sollen mit dieser Begründung auf eine Zustimmung zum Anteils-Verkauf vorbereitet werden. Die SPD setzt auf diese Lösung: Als gegen

Ende der Hilker-Jubilarfeier eine ausgewählte Schar der Gäste in den „Club zu Bremen“ ging, wo Wedemeier zum vertraulichen Arbeitsessen geladen hatte, kam auch Stadtwerke-Chef Günter Czichon. Auch die „ad-hoc- Kommission“, zu der Thomas von der Vring am Samstag im Namen des SPD-Landesvorstandes eingeladen hat, will das Thema: „Lösung der Klöckner- Probleme in Verbindung mit den Stadtwerken“ besprechen.

Einem Anteilsverkauf an die Preag widersetzt sich aber vehement der für Energiepolitik zuständige Umweltsenator. Die Preag, so Fücks in einem Positionspapier, sei nur an der „Lieferung von Strom aus ihren Großkraftwerken“ und nicht an ökologischer Energiepolitik interessiert.

Die Gespräche mit der Preag sind aber weit davon entfernt, als Verhandlungen über einen Anteils-Verkauf bezeichnet werden zu können. Auch die Konkurrenzen zwischen Wedemeier und dem Finanzsenator Kröning bremsen die bremische Handlungsfähigkeit: zuständig für Verhandlungen wäre Kröning, nur der war weder zu dem Wedemeier-Essen eingeladen noch ist er Mitglied der ad-hoc-Arbeitsgruppe der SPD. Schließlich: Wenn Bremen sich derart unter Zeitdruck sieht, muß die Preag auf Zeit spielen, um den Preis zu drücken.

Aus dieser Klemme kommt der Bremer Senat nur heraus, wenn er eine andere Karte spielt, die nach dem internen Wedemeier-Papier auch möglich ist: die landeseigene Firma Hibeg, wirtschaftspolitische Geheimwaffe des Senats, könnte die Klöckner- Anteile kaufen und die Finanzspritze leisten. Nur die Bürgschaftsausschüsse müßten zustimmen. Bremen könnte beruhigt im September vor die EG- Kommission treten und würde Zeit gewinnen, mögliche industrielle Lösungen gründlicher vorzubereiten.

Bremen würde damit aber wütenden Protest auf sich ziehen. Denn de facto würde Bremen die Stahlkonkurrenz zu Nordrhein- Westfalen mit Geldern finanzieren, die es zu wichtigen Teilen als Länderfinanzausgleich aus NRW erhält. Oskar Lafontaine tut das für die saarländischen Stahl-Kapazitäten auch.

Bremen kann sich ein ähnliches Verhalten nicht leisten, glaubt der Klöckner-Betriebsrat Sörgel, insbesondere nachdem die EG-Kommission die Subventionierung des Vulkan-Atlas- Elektronik-Einkaufes mit Landesbürgschaften schon als unzulässige Werft-Subvention gewertet hatte. Eine zweite EG-Beschwerde wäre nicht zu vermeiden. Wie die Konstruktion juristisch aussehen könnte, mit der die „Bremer Lösung“ finanziert wird, das will Sögel deshalb vorsichtshalber nicht wissen. K.W.

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