: Ausschreibung - Wettbewerb 1993
■ Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene
Zum dritten Mal seit 1989 wird von verschiedenen Trägergruppen der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene ausgeschrieben. Der thematische Schwerpunkt lautet in diesem Jahr:
„WIDERSTEHEN... um sich das Leben nicht ganz aus der Hand nehmen zu lassen.“ Die Schirmherrschaft über den Preis wurde diesmal von Luise Rinser (Rom) und dem Superintendenten der Leipziger Nicolaikirche, Friedrich Magirius, übernommen.
Spektakuläre Ereignisse wie z.B. Dachbesteigungen erzielen zwar ein kurzzeitiges Interesse von Öffentlichkeit und Medien, der Haftalltag, die Unfreiheit und täglichen Reglementierungen sind „draußen“ jedoch nur wenig bekannt. Wie Gefangene es schaffen, ein Stück von sich selbst zu bewahren, sich nicht dem Rhythmus der Institution zu unterwerfen und zu überleben, soll mit dem Literaturwettbewerb dokumentiert werden. All die kleinen Verweigerungen, die Energie, die jeden Tag neu aufgebracht werden muß, um sich das Leben nicht ganz aus der Hand nehmen zu lassen. Sie bedeuten, nicht automatisch von der Zelle in den Betrieb und zurückzulaufen, sich nicht ständig von Radio und Fernsehen berieseln zu lassen, sich über Rechte zu informieren und sie einzufordern. Letztendlich wird das Schreiben selbst im Gefängnis bereits zu einem Akt der Selbstbehauptung.
Gefangene sind nicht nur Objekte, mit denen etwas gemacht wird: Denn auch in der Unfreiheit des Gefängnisses bleiben große und kleine Nischen, in denen mit viel Kreativität und Kraft unter Umgehung der Bürokratie eigene Räume geschaffen werden. Die Mauern sollen poröser, durchsichtiger werden, und darum lautet das Leitmotiv der Ausschreibung: „Das ist meine Zeit, die will ich nicht absitzen, die will ich leben. Denn alles, was man selber erkämpft, gegen den Trott, ... das ist was wert.“ (Margit Czenki)
Eingesandt werden können Texte in unterschiedlicher Form: Romane, Reportagen, Briefe, Hörspiele, Gedichte, Erzählungen, Erfahrungsberichte, Features etc.. Auch können Beiträge in Gruppenarbeit, z.B. von Zeitungsredaktionen usw., erstellt werden. Teilnehmen können Inhaftierte oder ehemalige Inhaftierte aus deutschsprachigen Ländern. Einsendeschluß ist der 31.10.93. Aus den eingesandten Manuskripten wählt eine sechsköpfige Jury, von denen drei Personen über Hafterfahrungen verfügen, die besten Texte aus, die veröffentlicht werden sollen. Im Rahmen der Preisverleihung in Leipzig werden gemeinsam mit den Inhaftierten die Texte der Öffentlichkeit vorgestellt.
Einsendungen bis 31.10.1993
Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis
c/o Gefangeneninitiative
Lessingstr. 18
44147 Dortmund
c/o AK Resozialisierung
und Strafvollzug
Haus der Demokratie
Bernhard-Göring-Str. 152
04277 Leipzig
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