Die endgültige Weltverbesserung

■ Flämmchen der Hoffnung beim herzerwärmenden Ten-Sing-Festival des CVJM

Freitagnacht über dem Konsul-Hackfeld-Haus muß es dem Allmächtigen warm ums Herz geworden sein. Gleich vierzig Jugendliche klopften, elektronisch verstärkt, ans Himmelspförtchen: „Knock-knock-knockin' on heaven's door“ schmetterte der Chor und das hundertköpfige Publikum schwenkte begeistert Feuerzeug- Flämmchen in der Höhe. Das Ten Sing-Festival des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) kam auf Touren.

Wer nicht weiß, was Ten Sing ist, braucht im Duden nicht nachzuschlagen: Zwischen Tensid und Tension klafft Leere. Obwohl Ten Sing eine Bewegung ist, das jedenfalls behauptet Lars Koch, ein ehrenamtlicher Bremer Festival-Planer. Und verrät, was Tensing heißt: „Teenager singen.“ Christliche Teenager wohlgemerkt, oder solche, die mit der Kirche keine Berührungsängste haben. Denn geprobt wird in Gemeindehäusern.

Trotzdem war es nicht nur belangloses Frohlocken, was diese brav „Ten Sing“ gekürzelten Chöre zum besten gaben - aber auch. So schlicht wie der Chorname klang der Bad Zwischenahner Sing Sang: Ten Sing Bad Zwischenahn. Aber rührend war es doch, wie die ammerländer Blondschöpfe sich zu „Heal the World“ bekannten und die endgültige Weltverbesserung nicht mehr weit schien — und gnadenlos, die naive Unbefangenheit, mit der sie ihr Michael Jackson-Idol vom musikalischen Sockel herunter holten, in die eigenen Tonlagen.

Doch zwischen den Ten Sing- Welten klaffen Gräben, die mit dem wirklichen Leben zu tun haben: Drogen und Obdachlosigkeit, Einbruch und Familienkrach inszenierten die ElmshornerInnen am nächsten Tag als Rock- Oper so auf der Bühne, daß es nicht nur Lindenstraßen-Charakter hatte. Auch wenn die Bag- Lady Rosa für den Penner Sam, den ehemaligen Abteilungsleiter, fast zur Mutter Theresa wurde - da kam was vom eigenen Leben rüber. Schließlich, wer möchte nicht manchmal gerettet werden?

Ob Rettung oder nicht — mit der Kirche haben die wenigsten unter den siebzig ElmshornerInnen zu tun. Auch Marion Elm, die Ganzkörper-Dirigentin der Gruppe winkt ab. Und wenn sie „sozialer Brennpunkt“ sagt, klingt es nüchtern. Ihr und Boy Kramer, dem jugendlichen Laien-Regisseur, kommt es auf Teamgeist an. „Hierher kommen Jugendliche, die sonst keinen Anlaufpunkt haben.“ Schon müssen sie wieder raus auf die Bühne. „We built this City, we built this City... on Roooock'n'Roll“, reißen sie das Publikum von den Stuhlreihen hoch. Und da man möchte glauben, diese Gruppe hätte ein gutes Fundament. Eva Rohde