piwik no script img

Ehrlich schlechter Fußball

Schalke 04 – 1. FC Köln 1:2 / Gegen den neuen Kölner Olsen-Style reichte der „ehrliche Fußball“ der Blau-Weißen nicht aus  ■ Aus Gelsenkirchen Thomas Lötz

Und Schalkes Schatzmeister Rüdiger Höffken sprach zum Schluß seines Vorworts im „Schalker Kreisel“, der Stadionzeitung von Schalke 04: „Im Parkstadion wird ehrlicher Fußball geboten.“ Das klang, nach den bisher schwachen Heimvorstellungen der Schalker in der Meisterschaft gegen Borussia Dortmund und im Pokal gegen den VfL Bochum, wie eine Versprechung, ein banges Flehen, mehr jedenfalls als eine auch nur annähernde Beschreibung von Parkstadion-Realität 1993/94.

Wahrscheinlich wäre Höffken dieser Satz nach dem Spiel gegen den 1. FC Köln auch nicht mehr in den Sinn gekommen. 35.000 hatten die Wahrheit über Schalkes „ehrlichen Fußball“ miterlebt. Und, abgesehen von den vielleicht 4.000 Anhängern des 1. FC Köln, müssen sie enttäuscht nach Hause gegangen und gefahren sein. Denn das, was dem Zuschauer im Parkstadion zur Zeit, und da bildete die Auseinandersetzung mit den Kölnern keine Ausnahme, geboten wird, das ist nicht ehrlich, das ist nicht gelogen, sondern das ist ganz einfach schlecht, unwahrscheinlich schlecht.

Helmut Schulte beendete seinen Part der Pressekonferenz nach dem verlorenen Heimspiel mit der Feststellung: „Da kann man nicht mehr erwarten.“ Der Schalker Trainer bezog sich dabei auf die Verletzungsmisere seiner Mannschaft. Neben Peter Sendscheid, Günter Güttler und Yves Eigenrauch kommen nun, nach dem Spiel gegen den FC, noch Linke, Borodjuk und Müller hinzu. Es mangelt in der Abwehr, es fehlt im Sturm, aber das Mittelfeld war doch zumindest vor dem Spiel gegen Köln noch komplett. Und dieses Mittelfeld, in dem zweifelsohne Schalkes beste Techniker versammelt sind, brachte trotzdem wenig, eigentlich nichts zustande, von so etwas wie Abwehrverhalten oder Kampf ist gar nicht erst die Rede.

Ingo Anderbrügge, in der letzten Saison noch Schalkes großer Held, tauchte völlig ab. Uwe Scherr schoß zwar ein wunderschönes Tor, versuchte den Ball nach vorne zu treiben, blieb aber dennoch weitestgehend ineffektiv. Die Bälle, die Jiri Nemec kontrollieren wollte, fanden fast immer ihren Weg in den Fuß eines Kölners, und Andreas Müller hatte, bis er nach einem Zusammenprall mit Andrzej Rudy verletzungsbedingt ausscheiden mußte, auch nicht gerade viel vom Spiel mitbekommen.

Der 1. FC Köln hingegen entwickelt immer mehr seinen Olsen- Style. Was sich gegen Karlsruhe bereits andeutete, setzte die Mannschaft in Gelsenkirchen fort. Eine gute Raumaufteilung, die das Offensivspiel über die gesamte Breite des Feldes trägt, bildet die Basis. Am Samstag wurde sie durch ein durchdachtes Forechecking flankiert, das den jeweilig ballführenden Schalker in Situationen brachte, in denen er entweder einen unsicheren Paß spielen mußte oder den Ball direkt im Zweikampf verlor. Der FC, der durch Rudy (12.) und Weiser (14.) schnell mit 2:0 in Führung ging, wirkte im Gegensatz zu Schalke konzentriert und schnell. Und so lassen sich auch die vier gelben Karten der Gastgeber allein in der ersten Halbzeit erklären, sie kamen fast immer zu spät zum Ball, aber gerade noch rechtzeitig, um Foul zu spielen.

Hätte Kölns sicherer Libero Kim Christofte zur Halbzeit nicht aufgrund von Hüftbeschwerden in der Kabine bleiben müssen, es hätte ein ganz harter Nachmittag für Blau-Weiß werden können. So aber mußte Andrzej Rudy den Part des letzten Mannes übernehmen. Gerade er, der das Mittelfeld im ersten Abschnitt, assistiert vom unauffälligen Olaf Janßen, beherrscht hatte, fehlte fortan genau dort. Zudem zeigte Schiedsrichter Steinborn dem Kölner Rico Steinmann nach einer Grätsche in die Beine von Büskens die rote Karte. Kölns Ordnung war dahin, vier Minuten später bekam Schalke die erste Ecke zugesprochen.

Jetzt plötzlich spielten sie den Ball nach vorne, nahmen die sich bietenden Freiräume wahr, versuchten doch so etwas wie „ehrlichen Fußball“ – und das heißt nicht nur im Ruhrgebiet kämpfen – hinzulegen. Aber sie scheiterten. Amateur Rainer Borgmeier aus drei Metern ans Außennetz, Anderbrügge am langen Eck vorbei, und schließlich brachte Büskens allein vor Bodo Illgner den Ausgleich nicht zustande. Es sollte nicht sein, weil sie nicht konnten. Helmut Schulte starrte apathisch in den Presseraum und schüttelte mit dem Kopf. Der FC Schalke 04 steht auf einem Abstiegsplatz. „Die Mannschaft strotzt nicht gerade vor Selbstvertrauen. Es kommen sicherlich schwere Zeiten auf uns zu“, prophezeite Kapitän Holger Gehrke

1. FC Köln: Illgner - Christofte (46. Fuchs) - Greiner, Higl - Hauptmann, Steinmann, Rudy, Janßen, Heldt (67. Paßlack), Weiser - Polster

Zuschauer: 35.500; Tore: 0:1 Rudy (12.), 0:2 Weiser (14.), 1:2 Scherr (45.)

Rote Karte: Steinmann (56.) wegen groben Foulspiels

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen