■ Zum Streit beim DGB: Mehr Gelassenheit
Für den rasanten Mitgliederschwund bei den Gewerkschaften gibt es viele Gründe: eine dahinsterbende Industrie, hausgemachte Skandale wie vor Jahren im Fall der „Neuen Heimat“, die weit verbreitete Abneigung gegenüber Großorganisationen. Abstoßend wirkt zudem auf viele Menschen die Doppelzüngigkeit, mit der die Gewerkschaften zwar einerseits mehr demokratische Transparenz fordern, sie aber andererseits im eigenen Hause nur ungern sehen. Geschlossenheit heißt weiterhin die Parole, mit der Konflikte übertönt werden sollen. Sicherlich stehen der DGB wie seine Einzelgewerkschaften in der Frage, wie weit interner Dissenz gehen darf, in einem Dilemma. Bekanntlich erfreut jeder Streit die Arbeitgeber und kann von ihnen genüßlich ausgespielt werden – nicht erst bei Tarifkämpfen. Dennoch bleibt den Gewerkschaften keine andere Wahl, um künftig neue Mitglieder zu werben und der allgemein umgreifenden Politikverdrossenheit zu begegnen. Statt aber öffentlich sichtbar gemachte Meinungsverschiedenheiten – wie jüngst bei der Besetzung des IGBE-Büros – gelassen hinzunehmen und selbstbewußt als Chance für einen Streit um den Kurs zukünftiger Gewerkschaftsarbeit zu begreifen, reagiert der DGB in Berlin/Brandenburg mit hysterischen Tönen. Berechtigte Anliegen von Mitgliedern, die mit der Zustimmung der IGBE zur Schließung der Kaligrube von Bischofferode nicht einverstanden sind, werden in die Nähe von Nazimethoden gerückt. Solcherart Unterstellungen zeigen, daß bei der DGB-Landesbezirksvorsitzenden Bretz die Nerven ziemlich blank liegen müssen. Wer so argumentiert, muß sich über Mitgliederschwund wirklich nicht wundern. Severin Weiland
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