: Frankreich greift durch
■ Kein „Putsch“ in Zentralafrika
Berlin/Bangui (taz/afp) – Der versuchte „Staatsstreich von oben“ in der Zentralafrikanischen Republik ist gescheitert. Präsident André Kolingba nahm am Sonntag abend seine Verordnung vom Vortag zurück, mit der er dem Obersten Gericht die Verkündung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 22. August verboten hatte. Er wolle „die nationale Einheit und den inneren Frieden wahren“, sagte der seit 1981 diktatorisch herrschende Kolingba. Dann nannte er den wahren Grund: Er wolle „die Bindungen“ zwischen seinem Land und Frankreich retten. Zuvor hatte Frankreich das Annullierungsdekret einen „regelrechten Staatsstreich“ genannt und alle Gelder gesperrt.
So haben ausgerechnet die Franzosen, die jahrzehntelang afrikanische Diktatoren gestützt haben, in Zentralafrika vereitelt, was gerade in Nigeria funktioniert hat: die Annullierung eines unliebsamen Wahlergebnisses durch die Machthaber. Nicht ohne Grund: Die Zentralafrikanische Republik mag bitterarm, abgelegen und korrupt sein, sie ist aber mit ihren 1.400 ständig stationierten französischen Soldaten die Drehscheibe für französische Afrika-Interventionen. Französisches Geld finanziert die Präsidentschaftswahlen, deren erster Wahlgang zu einer haushohen Niederlage Kolingbas geführt hatte: Er erhielt ganze 13 Prozent und kam nicht einmal in die Stichwahl, die am 12. September stattfinden soll. So sind die Tage Kolingbas – dessen Mandat als Präsident formal im Februar auslief und der seine Staatsbeamten schon seit einem Jahr nicht mehr bezahlen kann – gezählt, und Frankreich geht es nun um einen geräuschlosen Machtwechsel.
Das deutete sich schon im Juni an, als Paris seinen Botschafter Alain Pallu de Beaupuy sowie den sehr mächtigen Kommandanten der zentralafrikanischen Präsidialgarde, den Franzosen Jean-Claude Mantion, abberief und als neuen Botschafter Michel Lunven entsandte. Lunven war zuvor in Niger stationiert, wo im März eine demokratisch gewählte Regierung ihr Amt antrat; nach Zentralafrika kam er mit einem dicken Hilfspaket – und Bedingungen: Die Präsidentschaftswahlen sollten nicht erst im Oktober 1993 stattfinden, sondern im Sommer, und es müßten richtige Wahlen sein. Da die wichtigsten Politiker des Landes alle in Frankreich bestens bekannt sind, war das kein Risiko.
Kolingbas Niederlage kam da gerade recht. Denn im ersten Wahlgang entfielen die meisten Stimmen – 37 Prozent – auf Ange Patassé. Der einstige Premierminister des „Kaisers“ Bokassa gilt als anti-französischer Agitator, der durch das Wahlkampfversprechen, in jedem Ort eine Gelddruckerei zu errichten, nicht gerade ein seriöses Image hervorkehrte. Gegen den ungeliebten Kolingba würde er die Stichwahl zweifellos gewinnen. Nun, ohne Kolingba, kann Frankreichs bester zentralafrikanischer Freund ins Rennen gehen: David Dacko, schon zweimal Präsident, der nur auf 22 Prozent kam, aber möglicherweise die anderen Kandidaten hinter sich gegen Patassé vereinen kann. Sollte Dacko gewinnen, bliebe die Zentralafrikanische Republik ein treuer Vasall Frankreichs und wäre dazu noch ein demokratisches Land – ein voller Erfolg. D.J.
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