Global vorschlagen, lokal nicht handeln

Fünf Pfennige mehr für einen „ökologischen Marshallplan“ / Umweltpolitiker hoffen auf Unterstützung der Umweltverbände / Ökologen vermissen die konkreten Vorschläge  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Ohne Moos nix los“, benennt der saarländische Umweltminister Jo Leinen (SPD) den zentralen Punkt des „ökologischen Marshallplans“, den ein parteiübergreifendes Umweltministerquartett von CDU bis zu den Grünen gestern der Öffentlichkeit vorstellte. Ziel ist es, einen internationalen Fonds für Klimaschutz einzurichten, in den weltweit möglichst alle Energieverbraucher einzahlen sollen.

Zunächst fünf Pfennig für jeden Liter Öl oder Benzin schlägt die kleine Gruppe vor, zu der auch der Fernsehjournalist Franz Alt zählt. Eine langsame Steigerung ist geplant. 100 Milliarden Mark jährlich kämen auf diese Weise am Anfang in die Kasse; allein die deutschen VerbraucherInnen würden mit 7,5 Milliarden Mark ihren Obolus für ihren Beitrag zur Klimaerwärmung entrichten müssen. Bezahlt werden sollen mit dem Geld Wärmedämm-Maßnahmen und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Fernwärme und Forschung über regenerative Energien. Zwei Drittel des Geldes solle jeweils im Inland ausgegeben werden, der Rest für internationale Hilfe zur Verfügung stehen, haben die Initiatoren geplant.

„Eine rein deutsche Energiesteuer macht keinen Sinn und ist auch wegen der Wettbewerbsverzerrung politisch nicht durchsetzbar“, so Lutz Wicke (CDU), Umweltsenator in Berlin, von dem die Idee für die Initiative stammt. Deshalb will er nicht nur andere Regierungen, sondern auch internationale Umweltverbände für das Projekt gewinnen. Ein Gespräch mit einem Vertrauten des US-Umweltministers Al Gore habe bereits stattgefunden, auch Europaparlamentarier und verschiedene Politiker aus Holland, Dänemark und dem EG-Dunstkreis sowie der Naturschutzverbund WWF hätten ihre Mitarbeit bereits zugesagt. „Was wir versuchen wollen ist, neben der Unterstützung von Leuten aus der Wirtschaft und den Gewerkschaften auch möglichst viele Umweltverbände zu gewinnen“, beschreibt Lutz Wicke das „Alle in einem Boot“-Konzept. Zunächst soll es losgehen mit einer Unterschriftensammlung.

Der Tag, auf den die Minister hinarbeiten, ist der 7. April 1995. Dann soll nämlich in Berlin die erste Rio-Nachfolgekonferenz zum Klimaschutz zu Ende gehen. „Und da soll nicht wieder nur Papier entstehen“, meint Jo Leinen in Anspielung auf die völlig wirkungslose Vereinbarung bei der UNO- Umweltkonferenz im Sommer 1992, die eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes auf dem Niveau von 1990 vorsah, aber leider, leider keinen konkreten Zeitpunkt – so daß real der weltweite Kohlendioxidausstoß munter weiter angestiegen ist.

Der Naturschutzbund monierte gestern gleich nach der Veröffentlichung, daß die Frage der Atomenergie in dem „ökologischen Marshallplan“ völlig ausgeklammert bleibt. „Da gibt es keine hundertprozentige Übereinstimmung der Initiatoren“, umschreibt Wicke die Tatsache, daß sich die Vertreter der vier großen Parteien an diesem entscheidenden Punkt nicht im geringsten auf einen konkreten Standpunkt einigen konnten. Zusammen hoffen allerdings alle, daß sich durch Energiesparprogramme das Thema AKW irgendwann von alleine erledigt. Das gigantische Wort „Marshallplan“, das die Möglichkeit eines Hilfsprogramms für die ganze Welt suggeriert, ist wohl etwas hoch gegriffen.