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Nazi-Verwirrspiel mit Namen

Bonn prüft Verbot der Neonazi-Gruppen „Förderwerk Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ) und „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA) / Tarnnamen sollen Öffentlichkeit täuschen  ■ Von Severin Weiland

Auf den Tag, an dem es brenzlig werden sollte, hatte sich das „Förderwerk Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ) schon lange vorbereitet. Bei einem Verbot, so ein internes Rundschreiben, müßten die Mitglieder sich „lediglich an einen anderen Namen gewöhnen“. Was zähle, seien die „Idee und die Ideale, für die wir kämpfen“. An neuen Namen scheinen die Neonazis keinen Mangel zu haben. Als im Juni das Brandenburger Innenministerium sich für bundesweites Verbot der Gruppe und ihrer im Hintergrund agierenden Kaderorganisation „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA) aussprach, löste sich die FMJ kurzerhand auf. Ein Trick, mit dem die Öffentlichkeit geschickt hinters Licht geführt wurde. Sogar eine Nachrichtenagentur verbreitete flugs den FMJ- Beschluß, in dem der Vorstand zynisch mitteilte, es sei nicht gelungen, die „faschistischen Tendenzen“ bei einem Großteil der Mitglieder zu stoppen oder „erzieherisch auf diese einzuwirken“. Das sprachliche Katz-und-Maus-Spiel mit der Öffentlichkeit hat die Aktivisten offenbar zu weiteren Taten ermuntert. Seitdem versuchen die FMJ/SrA-Kader, mit einer Vielzahl neuer Bezeichnungen die Öffentlichkeit zu täuschen und zu verwirren. Nach Erkenntnissen des Brandenburger Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) sind nicht nur der „Kameradschaftsverbund Mitteldeutschland“ und der „Unabhängige Jugendverband“ mit der FMJ personell und organisatorisch identisch. Bei der Suche nach ausgefallenen Namen schrecken die FMJler auch vor sprachlichen Anleihen bei der feindlichen Szene nicht zurück: So nennen sie sich mitunter auch „Direkte Aktion“ – die deutsche Übersetzung von „action directe“, einer linken Widerstandsgruppe aus Frankreich. Darüber hinaus stehen sie im Verdacht, noch eine Reihe anderer Bezeichnungen zu verwenden – derzeit werden diese vom Verfassungsschutz abgeklopft.

Ein Verbot von FMJ und SrA, die ein Sammelbecken für die im vergangenen Jahr verbotene „Nationalistische Front“ (NF) sind, wird derzeit im Bonner Innenministerium geprüft. Keine einfache Aufgabe. Denn soweit bekannt, sind FMJ und SrA nicht im Vereinsregister. Verbote für Vereine, so lautet es aus Bonn, könnten aber „streng formaljuristisch“ nur dann ausgesprochen werden, wenn es auch einen Adressaten gebe, dem die Verfügung zugestellt werden könne. „Wir spekulieren hier nicht über Verbote“, so der Sprecher des Bonner Innenministeriums, Karl-Heinz Schneider. Unabhängig von FMJ oder SrA halte man sich daran, erst dann zu handeln, wenn „ausreichend Material auf dem Tisch liegt“.

Daß es sich bei dem FMJ um eine offenkundig verfassungsfeindliche Organisation handelt, beweist ein Blick in die „Förderwerk“-Postille Angriff. Da zerschlägt beispielsweise ein Skinhead einen Davidstern, da werden NS-Schriften angeboten sowie Karikaturen im Stil des antisemitischen Nazi-Hetzblattes Der Stürmer abgebildet. Verstärkt widmen sich die FMJ-Kader in letzter Zeit auch den Methoden der sogenannten Anti-Antifa-Arbeit. Namen und Adressen politischer Gegner werden in ihren Publikationen angegeben, unverhüllt die Anhängerschaft zu Aktionen ermuntert. Waren es bislang eher Personen aus dem Brandenburger Raum, so lenkt das FMJ nunmehr verstärkt seine Aufmerksamkeit auf Berlin. Jüngstes Beispiel: In der FMJ-Postille Angriff Nr. 3, die nun als „Unabhängige Jugendzeitschrift“ des „Kameradschaftsverbundes Mitteldeutschland“ daherkommt, werden die Telefonnummer der Anwaltskanzlei des Berliner AL- Mitglieds Christian Ströbele sowie einige Daten aus seinem politischen Werdegang abgedruckt. Dazu gibt es einen Artikel über den Prozeß gegen die zwei Brandstifter von Mölln. Bekanntlich vertritt Ströbele in dem Verfahren als Nebenkläger die türkischen Opfer.

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