■ Zu den Geheimverhandlungen zwischen Israel und der PLO: Vor dem Separatabkommen
Bei der elften Runde der Nahost-Friedensverhandlungen geschieht diesmal das eigentlich Spannende nicht in Washington, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo, wo die Geheimgespräche zwischen Israel und der PLO auch gestern im 32. Stock des Plaza-Hotels weitergingen. Dies ist, fast zwei Jahre nach Beginn des Friedensprozesses mit der Konferenz in Madrid Ende Oktober 1991, ein historischer Einschnitt. Nach der ursprünglichen Madrider Formel war die PLO als Vertreterin aller Palästinenser auf Grund des beharrlichen israelischen Vetos von den Verhandlungen ausgeschlossen worden. Jetzt steht offenbar nicht nur die wechselseitige Anerkennung der PLO und des Staates Israel bevor, sondern auch die der palästinensischen und zionistischen Befreiungsbewegungen. Historisch ist dieses Datum auch deshalb, weil nun die Regierung in West-Jerusalem und die PLO-Führung in Tunis in direkten Verhandlungen eine bilaterale Übereinkunft festklopfen und sich damit die ursprünglichen Befürchtungen der Palästinenser, einzelne arabische Staaten könnten auf ihre Kosten mit Israel separate Abkommen schließen, in ihr Gegenteil verkehrt haben. Die PLO hat sich damit einmal mehr als politische Kraft gezeigt, die unabhängig von Einbindungsversuchen seitens der arabischen „Bruderstaaten“ politikfähig ist, eine Entwicklung, die sich bereits in Madrid mit dem Insistieren auf einer eigenen Delegation abgezeichnet hatte.
Derzeit ist noch offen, wie das in Oslo ausgehandelte Abkommen schließlich in den Washingtoner Prozeß eingefädelt wird, was sich beispielsweise an der Frage der Unterschriften zeigen wird. Außerdem gilt es noch, inhaltliche Kritik und Irritationen auszuräumen. Da ist etwa die offizielle palästinensische Verhandlungsdelegation unter Leitung von Haidar Abdel Shafi, der im Anschluß an das erste Gespräch mit der israelischen Delegation in Washington erklärte, seine Delegation müsse das Abkommen nun zunächst einmal „genau überprüfen“. Hier tut sich nach dem jüngsten Streit zwischen den Palästinenserführern aus den besetzten Gebieten und der PLO- Zentrale in Tunis möglicherweise ein neues Konfliktfeld auf. Da sind außerdem Jordanien und Syrien, die von der jüngsten Entwicklung offenbar völlig überrascht wurden. Folglich wurde das Abkommen in der Presse beider Staaten auch als „Teillösung“ oder „großer Fehler“ zunächst einmal abgelehnt.
Unabhängig von der Frage, wie man den Inhalt des Abkommens und seine Konsequenzen für die besetzten Gebiete im einzelnen beurteilt: bei den Gesprächen in Oslo kontrahieren zwei Parteien, die sich über Jahrzehnte hinweg wechselseitig die Existenzberechtigung abgesprochen haben. Das zeigt, daß mit dem Madrider Prozeß tatsächlich auch ein Umdenken, eine tiefgreifende Neuorientierung eingesetzt hat. Langfristig kann dieses „neue Denken“ sich jedoch nur durchsetzen, wenn es die Gesellschaft ergreift – in Israel, in Palästina. Beate Seel
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