: Ein nationales Forum
■ Das "Deutschlandradio" stellt sich auf der Internationalen Funkausstellung vor
RIAS-Intendant Helmut Drück macht ein betrübtes Gesicht. Anläßlich der IFA hatte er – gemeinsam mit seinem Kollegen Dettmar Cramer vom Deutschlandfunk und den beiden ARD/ZDF-Beauftragten für den DS-Kultur, Lothar Loewe und Reinhard Appel –, zur Pressekonferenz geladen. Über den aktuellen Stand der Planungen für den nationalen Hörfunk wollten sie berichten, die vier Herren aus dem Westen. Doch besonders viel mitzuteilen hatten sie gar nicht.
Reinhard Appel spart darum auch von Beginn an nicht mit großen Worten: Das „Deutschlandradio“ werde ein „nationales Forum für große Herausforderungen“ darstellen. Bevor diese Prophezeiung eintreten kann, hat der nationale Hörfunk aber noch einige Hürden zu nehmen. Zwar haben der Bundesinnenminister und die Länderchefs am 17. Juni die Staatsverträge unterzeichnet, nach denen der Nationalfunk am 1. Januar mit seinen Sendungen beginnen soll. Doch mittlerweile scheint zumindest die CDU im Landtag von Sachsen der Sache nicht mehr zu trauen. Ohne uns, erklärten die Christdemokraten schon vor dem 17. Juni. Und weil alle Länderparlamente die Verträge über das bundesweite Radio ratifizieren müssen, ist ein vorzeitiger „Zusammenbruch“ (Loewe) nicht ausgeschlossen.
Weiter Angst vor roten Socken?
Eine Erklärung für die Renitenz der Amigos hat Loewe denn auch gleich parat: Wahrscheinlich fürchteten die sächsischen Demokraten sich vor den Altsozialisten, die über den Umweg von DS-Kultur jetzt in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eindringen könnten. Doch er selbst habe bei den zu beaufsichtigenden KollegInnen aus der Nalepastraße so viel „Fleiß und Pflichtbewußtsein“ und so viel „Eifer“ entdeckt – da könne nichts schiefgehen.
Ein viel größeres Problem ergibt sich aber aus dem Umstand, daß der nationale Hörfunk ab 1. Januar kaum überall zu hören sein wird. „Richtig weiße Flecken“ sieht RIAS-Intendant Drück noch im deutschen Sendegebiet. Nur das Programm selber könne dann wohl die Politiker derart überzeugen, daß sie bald genügend UKW-Frequenzen zur Verfügung stellen. Doch das ist gerade der Grund, warum Drück so betrübt dreinschaut: Wenn das „Deutschlandradio“ zum ersten Mal die Nationalhymne spielt, wird es nämlich erst ein provisorisches Programmkonzept für die beiden Kanäle geben. Voraussichtlich wird es – wie bisher – einen Sender RIAS Berlin geben (der dann eben „Deutschlandradio Berlin“ heißt) und den Deutschlandfunk in Köln (der auch weiterhin so genannt werden will). Beide teilen sich danach die Reste von DS-Kultur, wobei der RIAS das dickere Stück vom trockenen Kuchen wird schlucken müssen.
Anders als der Kölner DLF steht der RIAS jedoch mit beiden Füßen in der Glut der kommerziell überhitzten Berliner Radioszene. Jede Woche, in der RIAS Berlin von seinen HörerInnen nicht mehr wiedererkannt wird, könnte das Publikum scharenweise in den Ätherwellen der Privaten verschwinden. Und selbst dann, wenn die Politiker dem „Deutschlandradio“ eine Bestandsgarantie gewähren, bedeutet das nicht viel. Ein Radio, das keiner mehr hört, wird auch von niemandem vermißt.
Über all das wurde während der Pressekonferenz unterm Funkturm zwar nicht gesprochen, aber es könnte erklären, warum Helmut Drück ein so betrübtes Gesicht machte. Achim Baum
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