piwik no script img

Die Brutalität des Marktes

■ Bittere Nachrichten für die Mitarbeiter von Mercedes

Berlin/Stuttgart (taz/dpa) – Der seit hundert Tagen amtierende Mercedes-Chef Helmut Werner hatte seiner Belegschaft bittere Nachrichten zu überbringen. Die Pkw-Sparte, die sonst immer weitgehend krisenfest schien, ist erstmals in die roten Zahlen geraten. Im ersten Halbjahr 1993 sind die Zulassungen um ein Drittel abgestürzt. Bei den Nutzfahrzeugen sieht es noch schlechter aus; außer 1991 hat es in den letzten Jahren immer Verluste gegeben.

Erstmalig nahm Werner zum Betriebsergebnis Stellung. Das Betriebsergebnis ist die interne Kostenrechnung, die unabhängig von den teilweise abenteuerlichen Berechnungen für die offizielle Bilanz die Leistung des Unternehmens aufzeigt. Demnach hat 1992 die Pkw-Sparte 500 Millionen Mark Miese gemacht, die Lkw-Produktion sogar 800 Millionen.

In den anderen Teilen des Daimler-Benz-Konzerns sieht es kaum besser aus. Vor allem für die Sanierung der angeschlagenen AEG ist nicht mehr genug Geld da; sie wird verkauft. Die Dasa mit den Bereichen Rüstung und Luft- und Raumfahrt trudelt gleichfalls am Rande der Krise. Immerhin war hier das Betriebsergebnis mit 107 Millionen Mark noch in den schwarzen Zahlen. Noch knapper, mit 37 Millionen, hat 1992 Debis, die unter anderem Software und Finanzdienstleistungen anbietet, abgeschlossen.

Helmut Werners Botschaft richtete sich vor allem an die 160.000 inländischen Mercedes-Mitarbeiter. In den kommenden Wochen muß er mit dem Betriebsrat über den Abbau von 14.000 Stellen verhandeln. Noch weitere Opfer werden von den Mitarbeitern gefordert. Ohne neue Arbeitszeitmodelle, die mit Mehrarbeit verbunden sind, ließen sich die deutschen Produktionsstandorte nicht sichern. Die fetten Jahre sind für die Belegschaft jedenfalls vorbei. Als die Geschäfte mit den Luxus-Limousinen noch florierten, hatte Mercedes Mitarbeiter mit freiwilligen sozialen Leistungen in Höhe von insgesamt einer Milliarde Mark im Jahr an sich gezogen. Dazu gehören Fahrgeldzulagen, Kuren, Jubiläumsurlaub und sogar Konfirmandengeld. Jetzt soll zum Beispiel das Weihnachtsgeld künftig an den Unternehmenserfolg geknüpft werden. Werner unverblümt im Originalton: „Die Brutalität des Marktes muß im Unternehmen nachvollzogen werden.“ lieb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen