"Sieg der Vernunft"

■ Mehrheit im Abgeordnetenhaus stimmt Staatsvertrag über Berlin-brandenburgische Akademie der Künste zu

Die Vernunft habe gesiegt, nicht der Präsident, konstatierte Walter Jens am Donnerstag abend. Mit Erleichterung reagierte der Präsident der Westberliner Akademie der Künste auf die überraschend deutliche Mehrheit, die der Staatsvertrag über eine Neugründung einer Berlin-brandenburgischen Akademie der Künste im Abgeordnetenhaus endlich gefunden hatte. „Endlich wieder Kunst und nicht immer politische Querelen, darauf freuen wir uns“, sagte Jens nach der Abstimmung, bei der 154 Parlamentarier für die Vereinigung der Westberliner Akademie mit der ehemaligen Akademie der Künste der DDR gestimmt hatten; 61 waren dagegen, 13 enthielten sich. Um das Ergebnis entstand Verwirrung, da einige Abgeordnete in der erstmals stattfindenden elektronischen Abstimmung offenbar das falsche Knöpfchen drückten.

Vorausgegangen war eine Debatte mit teilweise sehr emotionalen, teilweise aber auch sehr nachdenklichen Beiträgen, in der erneut deutlich wurde, wie gespalten die einzelnen Parteien in dieser Frage sind. Nur weil der Fraktionszwang aufgehoben worden war, kam überhaupt ein so deutliches Ergebnis zustande; in der CDU- Fraktion gab es bis zuletzt nur eine knappe Mehrheit für den Staatsvertrag, und ihr Vorsitzender Klaus-Rüdiger Landowsky rang sich die Worte ab, daß er nur „schweren Herzens“ zustimmen werde. Die SPD hatte sich schon längst darauf verständigt, der Fusion zuzustimmen, ebenso die PDS; FDP und Teile der Grünen waren dagegen.

Auch Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (parteilos) war mit dem Ergebnis zufrieden: Er hoffe, „daß die Wunden, die in der hoch emotional besetzten Debatte um den richtigen Weg geschlagen wurden, verheilen“. Mit dem Beschluß des Abgeordnetenhauses wird der Staatsvertrag am 1. Oktober in Kraft treten; laut Gesetzestext soll die neue Akademie die Tradition der 1696 gegründeten Preußischen Akademie der Künste fortsetzen, die „Kunst zu fördern und den Staat in Fragen der Kunst zu beraten und zu unterstützen“.

Um die Vereinigung der 1954 gegründeten West-Akademie und der 1950 gegründeten Akademie der Künste der DDR hatte es einen dreijährigen Streit gegeben; bis zuletzt weigerte sich die CDU, der heftig umstrittenen En-bloc- Übernahme der Ost-Mitglieder zuzustimmen, und setzte durch, daß ein Ehrenrat zur Ahndung von unehrenhaftem Verhalten und Verstößen gegen die Freiheit der Kunst eingesetzt wurde. Hermann Kant, der frühere Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbandes, und der ehemalige Präsident der Ost- Akademie, Manfred Wekwerth – beide ehemals Mitglieder im SED- Zentralkomitee –, erklärten bereits, daß sie auf eine Mitgliedschaft verzichten werden. Die erste Vollversammlung der insgesamt knapp 300 Mitglieder soll voraussichtlich noch im Oktober stattfinden. Innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten des Staatsvertrages müssen sie eine neue Akademiespitze wählen; das gleiche gilt auch für die einzelnen Abteilungen. Zur Betreuung der großen Archive, z.B. von Günter Grass, Bertolt Brecht, Anna Seghers, Arnold Zweig und Heinrich Mann, soll eine Stiftung gegründet werden. Kordula Doerfler

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