: „Dafür stand Weiterstadt“
Für die „Angehörigen der politischen Gefangenen“ stellt sich die Veröffentlichung der RAF-Briefe als Vorbereitung für ihre Kriminalisierung dar / Kontakte eine „einfache Tatsache“ ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) – Die „Angehörigen der politischen Gefangenen in der BRD“ haben die Berichte über Briefe und Kontakte einzelner RAF-Mitglieder zu ihren Familienmitgliedern als „widerlich“ bezeichnet. Ziel der „lancierten Medienberichte“ sei, heißt es in einer zweiseitigen Presseerklärung, „unsere Angehörigenarbeit unglaubwürdig zu machen und uns zu kriminalisieren“. Widerlich seien die Presseberichte allein schon, „weil sie ganz persönliche Dinge in den familiären Beziehungen an die Öffentlichkeit bringen, um sie gleichzeitig in ein Raster aus vom Staatsschutz in langen Jahren produzierten Bildern zu pressen“. Der Kampf der RAF um Befreiung, der die Herstellung neuer menschlicher Beziehungen mit einschließe, werde „zu Terror mit gelegentlichen Ausflügen in die Relikte bürgerlicher Idylle“. Wer sich den Kopf „freimacht von der Hetze, wird die einfache Tatsache verstehen, daß Angehörige von einzelnen aus der RAF Möglichkeiten wahrnehmen, den Kontakt zu ihren in der Illegalität lebenden Angehörigen aufrechtzuerhalten“.
Wie die Angehörigengruppe, die auch das zweiwöchentlich erscheinende Angehörigen Info herausgibt, weiter schreibt, habe das Engagement für eine Veränderung der Haftbedingungen bei politischen Gefangenen ihr die Augen geöffnet „für die Realität in diesem Staat“. Sie setzte sich deshalb nicht nur mit den Haftbedingungen, sondern auch mit den Zielen der RAF auseinander. Die Gruppe sei dem Staat ein Dorn im Auge, weil sie nicht lockerlasse, die Gefangenen in ihrem Kampf zu unterstützen. Deshalb solle nun der Boden für repressive Maßnahmen gegen die Angehörigen bereitet werden.
Wie vergangenen Montag berichtet, waren nach der Festnahme des RAF-Mitgliedes Birgit Hogefeld in einem Schließfach in Wismar mehr als ein Dutzend Briefe und Tonbandkassetten sichergestellt worden, die den Kontakt der RAF-Aktiven zu Eltern, Angehörigen und RAF-Umfeld belegen.
In einem der Schreiben berichtet die Mutter von Birgit Hogefeld ihrer Tochter über eine Geburtstagsfeier, in deren Verlauf die Nachricht vom RAF-Sprengstoffanschlag auf den Gefängnisneubau in Weiterstadt am 27. März 1993 platzte. Es sei ein Riesenjubel aufgekommen, und „die Freude wurde immer größer“. In der Erklärung heißt es jetzt dazu: „Wenn Angehörige sich über die Zerstörung des Knastes in Weiterstadt gefreut haben, dann deswegen, weil wir aus unserer zwanzigjährigen Erfahrung wissen, wie die schleichende Vernichtung von Gefangenen mittels Isolation, Differenzierung und Spaltung betrieben wird, und dafür stand Weiterstadt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen