„Heute sind wir hellhöriger“

■ Anhörung zum UKE-Skandal: Experten entlasten Hübener / Er war zu forsch, aber hätte er das damals schon erkennen müssen?     Von Sannah Koch

Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben – diese Variation eines geflügelten Wortes drängte sich gestern bei der Bürgerschaftsanhörung zum UKE-Strahlenskandal auf. 19 Experten waren geladen worden, um Licht in das Dunkel zu bringen. Doch das Licht der Radiologie-Spezialisten warf viele Schatten: Ja, die Behandlungsmethode des inwischen suspendierten UKE-Chefarztes Hübener aus den Jahren 1986 bis 1990 wich von den üblichen Schemata ab, so ihre einheitliche Auffassung. Nein, so ihre ebenso gleichlautende Antwort auf die Frage, ob sie denn damals dieses Konzept als wissenschaftliche Studie angemeldet hätten. Ein unvermeidbarer und schicksalhafter Vorfall also?

Strukturen wollten die Abgeordneten mit Hilfe der Sachverständigen (Patienten, Ärzte, Juristen) aufdecken. Wie es passieren konnte, daß ein Radiologe jahrelang, angeblich unwissend über die fatalen Folgen seiner Therapie, Hunderte von Menschen verstrahlt hat? Ob er damals verantwortungslos gehandelt habe, und ob seine Kollegen hätten eingreifen müssen?

Der Heidelberger Radiologe Michael Wannenmacher: „Wir haben uns damals an solch hohe Strahlendosen nicht rangewagt.“ Weder „unkonventionell“ noch „Therapieversuch“ würde er Hübeners Methode nennen, so der Erlanger Professor Rolf Sauer. Doch: „Ich hätte das Konzept aufgrund meiner Erfahrung nicht angewendet.“ Und wieder einschränkend: „Hübener handelte forsch, aber daß es zu forsch war, wissen wir erst heute.“

Sie hätten von dem Therapiekonzept Hübeners nichts gewußt, beteuerten die geladenen Hamburger Mediziner. Ob Hans-Peter Heilmann, Leiter des zweiten Hamburger Strahlenzentrums im AK St.Georg, oder Ulrich Kleeberg, Mitglied der Hamburger Krebsgesellschaft – sie erklärten, niemals über die UKE-Methoden diskutiert zu haben. „Ich war froh, daß dort nach neuen Wegen gesucht wurde“, betonte Kleeberg dann. Nur der Onkologe des AK Barmbek, Lutz Hoffmann, räumte ein, er sei von Hübener über die Änderungen informiert worden. „Ich könnte mir heute zum Vorwurf machen, daß ich keinen zweiten Experten dazu befragt habe“, so Hoffmann, „aber der hätte die Methode wohl damals auch nicht eindeutig bewerten können.“ Heute sei man jedoch viel hellhöriger, betonten alle, das Wissen sei in den letzten fünf Jahren immens gewachsen.

Die Wissenschaftsbehörde legte gestern die Ergebnisse der Studie über die UKE-Frauenklinik vor. Vier Gutachter hätten bestätigt, daß die Behandlungskonzepte dort wissenschaftlich fundiert, die Komplikationsraten niedrig, die Aufklärung vorbildlich und die Nachsorge korrekt sei.