Angst vor städtischer Dichte

■ Diskussionsrunde zum Hauptzentrum in Hellersdorf: Entwickeln sich die Wettbewerbsentwürfe von der Fußgängerzone zur Verkehrskreuzung?

Es war eine Begegnung der dritten Art, die der Hellersdorfer Bürger Friedhelm Gerber vor rund drei Wochen im Planungsamt des Bezirks machte. Auf der Ausstellung zur Entwicklung des „Hellersdorfer Hauptzentrums“ hingen statt der prämierten Wettbewerbsentwürfe des „Spanischen Platzes“ mit Fußgängerzonen und einer Randbebauung über Arkaden, einer Straßenbahnlinie und vielen Sitzbänken nun Pläne aus, die den Platz als Verkehrskreuz für Autos und LKW darstellten. Über den Platz führten die Riesaer sowie die Hellersdorfer Straße, zwei Strecken, die das Quartier mit der Bundesstraße 1 verbinden. „Ist der Spanische Platz Geschichte?“ fragte Gerber am Montag abend auf einer Diskussionsveranstaltung zur Entwicklung des zukünftigen Hellersdorfer Zentrums. „Oder habe ich die Wettbewerbsentwürfe der Architekten Brandt & Böttcher falsch gelesen?“

Die Sache ist zwiespältig: Die jetzige Verkehrsführung hat mit den Plänen vom vergangenen Herbst nur noch wenig gemein, räumte der Architekt Böttcher ein. Aus „Gründen der Präsentation“ habe man bei den Wettbewerbsskizzen die Straßen sowie die Verkehrskreuzung „weggelassen“. Von einer „Täuschung“ der Öffentlichkeit könne aber nicht die Rede sein. Zum einen bildeten die Straßenführungen, die über den Platz laufen, Bestandteile der Auslobung. Zum anderen existierte die Kreuzung „in fein gezeichneten Linien“ auf dem Modell. Die Hellersdorfer hätten eben die Pläne nicht genau studiert. Böttcher sichtlich genervt: „Ich verfluche den Tag, an dem wir die Straßen nicht deutlich genug gezeichnet haben.“

Sorglosigkeit oder Absicht? Weder noch. Im Unterschied zum Grundriß der aufgelockerten Plattensiedlung, erklärte Böttcher, baue man nun „Stadt“: mit hoher Dichte aus Blöcken und Turmbauten für Gewerbe und Büros, soziale Infrastruktureinrichtungen und Wohnungen, mit Räumen für Grünflächen – und Straßen.

Die Sorgen der Hellersdorfer, ihren lieblichen Marktplatz gegen Autolärm und Emissionen auf einer steinernen Fläche einzutauschen, sind berechtigt. Ein Lärm- Gutachten zeigt, daß den künftigen Anwohnern und Nutzern Dezibelwerte wie am Alexanderplatz drohen. Das Stadtteilzentrum werde in einen „Autobegegnungsplatz“ verwandelt, sagte die Hochschullehrerin Heide Berndt. Zugleich, so Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, versprächen die sogenannten „Identitäts- Zeichen“ – drei Hochhäuser, die Brandt & Böttcher an die Platzecken postieren – nicht ein Mehr an Urbanität. Ebenso wie die Verkehrsplanung müßte die Bebauungsdichte im B-Planverfahren geändert werden.

Die Angst der Hellersdorfer vor der städtischen Dichte, sagte ein Hellersdorfer am Rande der Veranstaltung, gleiche eher „psychologischen Barrieren“, die dem Bild der Vorstadt mit grünen Flächen noch zwanghaft nachhingen – zumal wenn die Planungen schwer zu lesen und wie das Hauptzentrum von einem Westberliner Großinvestor realisiert werde. Werde der Charakter der monostrukturierten Schlafstadt noch unter negativ besetzten Vorzeichen, wie Autoverkehr, umgekrempelt, gehe mit dem Thema Dichte gar nichts mehr. Rolf Lautenschläger