: Moralisch gute Form
■ Ein Schiff voll Design am Martinianleger
Keiner liebt Designer. Ja, sie werden geradezu verachtet, Künstler rümpfen die Nase über „Nutzkunst“, Maschinenbauer wittern Mitesser, Feuilletons verweisen auf die Verbraucherseite. Dabei machen Designer nette Sachen und interessante Ausstellungen, wie dieser Tage am Martinianleger auf dem Binnenschiff „Petershagen“ zu sehen ist. Schon die Idee, daß man außer Flüchtlingen auch 1a-Design unterbringen kann: Klasse! Und daß Design gut für Europa ist: Spitze! Aus der „Euregio“ (Niedersachsen, Bremen und Nordholland) kommen nämlich die 30 Nutzkünstler, die im Schiffsbauch je ein Kabuff bezogen haben. „Wie das Wasser verbindet Design,“ so Staatsrat Andreas Fuchs zur Presse.“ Ja es kommt noch dicker: Design ist ergonomisch, human, öko und sozial, all das kann man an Bord der „Petershagen“ sehen, und der Veranstalter, Jochen Rahe vom Bremer Design Zentrum, bringt es auf den Punkt: „Design ist wichtig!“
Weil keiner die Designer liebt, wie sie auch keiner ernst nimmt, obwohl Bremen erklärtermaßen auf dem Weg zur Design-Metropole ist, kommt diese viele heiße Luft zustande. Ist sie verflogen, sieht man einen lustig bunten Schreibtisch zum Schwenken und Klappen, den man gern hätte. Einen Sessel, den man zumindest ausprobieren würde, obwohl er nach hinten zu kippen scheint. Der aber voll recycelbar sein soll. Stühle aus Papiermasse. Körperfreundliche Klamotten. Und ein Motorrad, das wie ein dreirädriges Auto aussieht, ganz furchtbar schnell fahren kann, aber eigentlich auf eine Firma aus Enschede aufmerksam machen will, die alles, was Kiste ist, rund und schick und matt glänzend machen kann.
„Positionslichter“ heißt die Ausstellung so tiefgründig, daß gar kein Grund mehr einzusehen ist; es geht schlicht um sehr anwendungsnahes Formgeben, kein Killefit, keine Spinnerei, mit der Eintrittskarte für die gleichzeitige Büromesse „Office 93“ kommt Fachpublikum billiger ins Schiff. Besonders die Niederländer machen eine kleine Leistungsschau von der Visitenkarte zum architektonischen Aufriß. Natürlich auch hier Trompetenstöße fürs Triviale: „Architektur ist eine Inszenierung fürs Dasein!“ (Pim Benus, Groninger Architekt).
Wenn man Designer nicht achtet, unterschätzt man ihren Einfluß. Kaputter Rücken wg. Miststuhl, schiefer Kopf wg. Mistcomputer und eingeklemmtem Telefon (im Schiff: ein Hände-frei-Telefon! ) — Designer machen die Oberflächen, mit denen wir zu tun haben, wir müssen ihnen auf die Finger sehen.
2000 Mark Miete kostet der Kahn am Tag, darum müssen sich Interessenten sputen: bis Sonntag sind die „Positionslichter“ wahrzunehmen. Dann dieselt die Ausstellung nach Groningen. Bus
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