: Tunnelwitz der Geschichte
■ Dokumentation über die „Operation Gold“, ARD, 23 Uhr
Der britische Regisseur John Schlesinger drehte 1992 in den Babelsberger Studios einen Spionagefilm entlang historischer Ereignisse aus dem Berlin der Jahre 1955/56. Er kommt dieser Tage unter dem Titel “... und der Himmel steht still“ („The Innocent“) in die Kinos. In einer der spektakulärsten Aktionen des Kalten Krieges hatten die amerikanische CIA und der britische Geheimdienst MI 6 unter dem Decknamen „Operation Gold“ einen Spionagetunnel in den Ostteil der Stadt gegraben, um sowjetische Militärtelefonleitungen anzuzapfen.
Im Auftrag von ORB und WDR beobachteten Sybille Gerhards und Stefan Guntli die Dreharbeiten zum Film und beleuchteten die historischen Hintergründe. „Das wäre ein guter Stoff für eine spannende Dokumentation“, lästerte in der vergangenen Woche der Stern. Doch „Operation Gold“ könne „in jeder Journalistenschule als schlechtes Beispiel gezeigt werden“.
Bei der Pressevorführung beim ORB in Babelsberg rieb man sich freilich die Augen und glaubte sich im falschen Film. „Operation Gold“ entpuppte sich als handfeste, spannende Recherche in den USA, in England und Rußland. Da ist nichts Reißerisches dabei, da werden keine Sensationen herausgebrüllt, sondern ruhig und sachlich Fakten präsentiert. Da wird sparsam kommentiert, manchmal zu sparsam.
Hineinmontierte Filmausschnitte aus alten Wochenschauen sowie Rundfunkdokumentationen des Rias und Berliner Rundfunks vermitteln etwas von der Stimmung in der Viermächtestadt. Es lohnt sich, den Zeitzeugen aller Seiten zuzuhören, die eine Vielzahl von Wahrheiten präsentieren, zurechtgebogen zur Rechtfertigung ihrer eigenen Vergangenheit.
Gerhards und Guntli lösen sich zügig von der Filmgeschichte, von den Dreharbeiten und der Romanvorlage des britischen Autors Ian McEwan. Zwar lassen sie Hauptdarsteller, Regisseur und Autor ausführlich zu Wort kommen, doch sie vermischen nicht Kunst und Realität. Den Spionen und ihren Stories wenden sie sich im Mad-Stil von „Spy vs. Spy“ zu. Da ist zum Beispiel George Blake, 1955 britischer Geheimdienstmann in Berlin und taz-LeserInnen durch die intimen Berichte Ralf Sotschecks bekannt. In Schlesingers Film hat man den Widerstandskämpfer, Entnazifizierer und späteren Doppelagent Blake nur mit einer winzigen Nebenrolle bedacht, in der Dokumentation rückt der heute in Moskau Lebende ins Zentrum. Blake war am Bau der unterirdischen Abhör- Röhre beteiligt und verriet sie gleichzeitig an die Sowjets. Wenn das kein Tunnelwitz der Geschichte ist. Peter Huth
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