: Mit 1400 Pandits Deutschland retten
■ Elektroscooter, ewige Gesundheit und Hundeklos: Was Kleinparteien im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf versprechen. Ein Überblick von Andrew Ruch
Die Straßenbahn kommt wieder. Endlich mehr öffentliche Toiletten. Nebenjob-Stopp für Politiker. Düngemittel und Insektizide werden verboten. Der Staatsapparat wird um 30 Prozent reduziert.
Wahlversprechen – doch nicht die der bekannten Alt-Parteien, sondern von den Wählervereinigungen, Einzelbewerbern und den kleinen Parteien, die ganz unten auf dem Stimmzettel stehen, und von denen kaum jemand Notiz nimmt. Sie alle werben gern mit konkreten Versprechen. Für die „Kleinen“ kein Problem, ist die Gefahr, diese einlösen zu müssen, doch eher gering.
Insgesamt 19 Gruppierungen präsentieren sich am 19. September zur Bürgerschaftswahl. Neben den vier etablierten Parteien (SPD, CDU, GAL/Bündnis 90, FDP), den bereits in der taz vorgestellten Newcomern STATT Partei und „Linke Alternative - Wehrt Euch“, den drei rechtsextremen Parteien Republikaner, DVU und Nationale Liste (denen die taz jüngst eine Serie widmete) finden sich zehn weitere Namen auf der Stimmliste. Die neuen und unbekannten Bewerber stellen wir im folgenden vor, über die etwas älteren „Kleinen“ finden sich Informationen im untenstehenden Kasten. Parteien, die nur für eine Bezirksversammlung kandidieren, haben wir nicht berücksichtigt.
Johann Dolny, ist Einzelbewerber. Sein Wahlspruch: „Einen Hammer ins Rathaus.“ Er will die „überbezahlten Abgeordneten“ kontrollieren: Symbolisch haut er deswegen auf seinem Wahlplakat gierigen Politikern auf die Finger, die nach der Diätenerhöhung greifen.
22 Jahre war der 49jährige Mitglied der SPD, davon vertrat er die Partei zwölf Jahre in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Diesen Juni trat er aus der Partei aus. „Ich bin ohne Fraktionszwang viel unabhängiger. Wenn ein Argument berechtigt ist, muß ich auch zustimmen können – auch wenn es gerade mal nicht von einem Parteigenossen kommt“, erklärt Dolny.
Der gelernte Schiffsbauer kam 1957 aus Schlesien nach Hamburg, „als hier noch andere Verhältnisse waren: Ordentlich, sauber perfekt.“ Heute hält der stämmige Mann mit dem Lech Walesa-Schnurrbart die Stadt für verdreckt: „Viele leben einfach nach dem Motto: Da wird schon irgendeiner kommen, der das wegmacht.“ Er plädiert aber nicht für Bestrafung der Verschmutzer, sondern setzt auf Einsicht: „Meist sind das doch Jugendliche. Die Eltern müßten auf ihre Kinder Einfluß nehmen.“ Es solle den Heranwachsenden einfach klar gemacht werden, daß letztendlich ihre Eltern für den Schaden bezahlen müssen.
Handlungsbedarf sieht der Einzelbewerber unter anderem auch in der Drogenpolitik, bei der Kleinstdealer konsequent bestraft werden sollten. „Die müssen ihre Strafe komplett absitzen“, fordert er. Seiner Meinung nach werde der Drogenhandel begünstigt, wenn man den Verkauf geringer Mengen Rauschgifts unverfolgt läßt. „Drogenfreigabe löst das Problem nicht, man erleichtert nur den Zugang, wie die Beispiele Alkohol und Nikotin zeigen“, erläutert Dolny in seinem Wahlprogramm.
Härtere Strafen will er auch für Umweltsünder: Der, der den Müll erzeugt, soll auch dafür verantwortlich sein. Umweltvergehen will er wie Kapitalverbrechen behandeln lassen.
Den Himmel auf Erden verspricht die Naturgesetz Partei: Sie glaubt, durch transzendentale Meditation (TM) die Welt verbessern zu können. So hat auch sie griffige Wahlversprechen – viele Kranke sollen wieder gesunden, die Kriminalitätsrate stark zurückgehen und jeder in seinem Beruf ein Genie werden – herrliche Zukunftsaussichten also: Alles wird gut, dank TM und Naturgesetz.
Die Partei gibt sich alle Mühe, beim Bürger anzukommen: Fast jede Woche finden mehrere Informationsveranstaltungen statt, zuhauf werden Faxe an Zeitungsredaktionen geschickt. In den schriftlichen Mitteilungen gibt man sich mal locker flockig: „Moin, Moin Naturgesetz, noch 'ne Partei?“, mal seriös, mit so zeitgemäßen Themen, wie „Umweltpolitik und alternative Energiequellen“. Die Hamburger Bundestagsabgeordnete und sektenpolitische Sprecherin der CDU Susanne Rahardt-Vahldieck räumt der Naturgesetz Partei soviel Aufmerksamkeit ein, daß sie vor ihr in einer Pressemitteilung warnt: „Die Partei ist ein Ableger des Maharishi-Kultes. Der Gründer, Maharishi Mahesh Yogi, wurde in den 60er Jahren bekannt und ist heute wohl einer der reichsten Gurus überhaupt.“ Für besonders verwerflich hält sie, daß die Anhänger des Maharishi-Kultes mit der sogennanten „Ayurveda-Medizin“ werben, welches auch als Mittel gegen AIDS angepriesen werde.
Der Geschäftsführer der Naturgesetzpartei, Claus Fenger (37), hält die Kritik der CDU-Abegordneten für eine Pauschalverurteilung. „Wir sind eine demokratische Partei und als diese zugelassen worden“, verteidigt sich Fenger, im „normalen“ Leben Rechtsanwalt. „Wir haben auch kein Mittel gegen AIDS, wir haben nur sehr hoffnungsvolle Studien, die aussagen, daß sich der Gesundheitszustand etwas bessert.“
In einem Schreiben der Maharishi-Anhänger, das der taz vorliegt, wird deutlich, worum es der Naturgesetz Partei eigentlich geht: Die desolate Weltsituation ist völlig umzuwandeln. „Eine Gruppe für jede Regierung“, lautet die Formel, mit der jedes Land seine Probleme lösen kann. „Denkt nicht an die Regierungen, Ihr müßt es selber tun“, sagt Maharishi.
Dann wird erläutert, wie der „Himmel auf Erden geschaffen werden kann“. 1400 indische Pandits (sogenannte indische Gelehrte) sollen als Kohärenz (Zusammenhalt) erzeugende Gruppe nach Deutschland kommen. Für diese sollen Patenschaften übernommen werden, damit das Geld für Flug und Aufenthalt zusammenkommt. Es folgen konkrete Zahlen und Anweisungen: „Als Kosten für den Jahresaufenthalt eines Pandits sind 7200 Mark errechnet worden. In Hamburg kümmern sich die aktiven Mitglieder der Naturgesetz Partei um dieses Projekt.“
1400 Pandits mal 7200 Mark – da kommt ein Sümmchen von über zehn Millionen Mark zusammen. Die können 100 Mitglieder in Hamburg und 1500 bundesweit natürlich nicht aufbringen: Viele neue Anhänger braucht man da. Doch ist das Ziel erreicht, gibt's nur noch: „Ein Leben in Frieden, Freude, Gesundheit, Harmonie und Glückseligkeit“
Mit einer Maske des englischen Prinzen Charles ausstaffiert bringt Bernhard Christian Conrad die Werbezettel seiner Sozial Liberalmoralischen Union SLU, „das Spektrum“, unters Volk. Auch er fährt hervorragende Argumente auf: „Die Renten dürfen in keiner Weise angetastet, sondern müssen erhöht werden – Autofahrer dürfen in ihrer Mobilität nicht durch zu hohe Kraftstoffpreise eingeschränkt werden – Es ist ein Unding, daß die Polizei, unser Freund und Helfer, die soviel Verantwortung tragen muß, derartig unterbezahlt wird.“ - Das geht runter wie Öl.
Der 42jährige Gärtner, der sich für „einen absolut aufrichtigen Mann“ hält, setzt sich weiter für mehr öffenliche Toiletten und Wohnschiffe für Obdachlose ein. 50 der erforderlichen 500 Unterstützungsunterschriften für seine Bewerbung bekam Conrad von „Berbern“.
Umweltpolitisches Highlight des SLU/Spektrums-Wahlprogramms: „Robuste Elektroscooter mit Batteriebetrieb und Fahrräder, die an zentralen U- und S-Bahnstationen bereitzustellen sind, und die im Stillstand und bei Nichtbenutzung ein Alarmsignal aussenden.“
Noch ein Hinweis vom „erstklassigen, hanseatischen Geheimtip“: „Bei ihm ist keine Stimme verloren, weil es sich um eine freie, parteiunabhängige Aufstellung auf ihrem Stimmzettel handelt, für die nicht die 5 Prozent Klausel gilt.“ Sollte Conrad etwa „aufrichtig“, aber unwissend sein? Als einzige Ausnahme in Deutschland gilt nur für den Südschleswigschen Wählerverband die Fünf-Prozent-Hürde nicht.
Dem Tierschutz hat sich die „Mensch Umwelt Tierschutz“-Partei (MUT), verschrieben: Verbot aller quälerischen Tiertransporte; Verbot des betäubungslosen Schlachtens; Verbot der Massentierhaltung und so weiter – nichts gegen einzuwenden.
„Uns werden die Wahlzettel förmlich aus der Hand gerissen“, berichtet dann auch die Schatzmeisterin von MUT, Marianne Rober. 25 Mitglieder habe die Partei in Hamburg, die allein schon 130 Katzen und etliche Hunde besitzen. Für Hamburg fordert die 59jährige Hundeklos und Tütenautomaten (zum einsammeln des Kots); daß Hunde keinen freien Auslauf haben dürfen, findet sie katastrophal.
Doch die MUT-Partei hat sich auch anderer Themen angenommen, so der Abfallwirtschaft: Sie verlangt den flächendeckenden Einsatz moderner Abfallsortieranlagen, „die sich inzwischen bewährt haben“. Den Betrieb herkömmlicher Müllverbrennungsanlagen lehnt sie ab, dafür sollen „bereits erprobte Alternativverfahren zur thermischen Rohstoffverwertung“ eingeführt werden. Den Haushalt finanzieren will MUT durch den Verzicht auf Renommierbauten und den Abbau der Bürokratie. Auch die Steuerfahndung soll intensiviert werden.
Doch zunächst suchen die Tierschützer erst mal einen Sponsor. „Wir haben bis jetzt viel selbst bezahlen müssen“, sagt Frau Rober. Wie wäre es mit einer Tierfuttermittelfabrik?
Auf die zahlreichen Eltern in Hamburg setzt die Wählervereinigung „Zukunft für alle Kinder“. In ihrem Programm heißt es: „Mehr Kindergärten statt Sozialhilfe“ oder „Verstärkte Förderung von bezahlbarem Wohnraum“ und „Mehr Frauenförderung“. Wer kann da schon widersprechen?
„Zukunft für alle Kinder“ hält das schlechte Angebot für die Betreuung der Kinder in Hamburg mitverantwortlich dafür, daß viele Eltern nicht erwerbstätig sein könnten. „Kinder- und Jugendbetreuung kostet Geld, aber die Folgekosten bei einer Nicht-Betreuung liegen wesentlich höher“, erklärt Martin Henke, Kandidat der Gruppe. 5000 Kindertagesplätze werden nach Meinung der Vereinigung sofort gebraucht. „Finanziert werden könnten die Plätze durch zusätzliche Steuereinnahmen, die die Eltern leisten weil sie wieder arbeiten können, während ihr Kind in der Tagesstätte ist“, so Klaus Lange vom Vorstand der Vereinigung. Zusätzlich sieht er noch Einsparungsmöglichkeiten bei der Verwaltung, zudem sollte den jährlichen Spar-Vorschlägen des Bundesrechnungshofes gefolgt werden.
Für die Wohnungsbeschaffung hat „Zukunft für alle Kinder“ auch schon eine Lösung: „Alte Leute sollen die Chance haben, eine Wohnung zu tauschen, ohne für eine kleinere Wohnung mehr bezahlen zu müssen“, fordert Klaus Lange. Auch von teuren Bau- und Prestigeprojekten müsse sich die Stadt verabschieden und die Mittel umwidmen: „Statt Geld für den Alsterpavillon auszugeben, kann man das Geld lieber in die Frauenförderung stecken“, meint Lange medienwirksam.
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