: “Bremen hat keine Verbotschancen“
■ Podiumsdiskussion in der Bürgerschaft zum Thema Gentechnik an der Bremer Uni
„Als wir uns in der Wissenschaftsdeputation mit dem Thema beschäftigt haben, war schon alles gelaufen“, meinte Wissenschaftssenator Henning Scherf. „Das Thema“ war die bereits im April von der Gesundheitsbehörde erteilte Genehmigung von gentechnischen Labors im geplanten „Institut für Umweltforschung und Umwelttechnik“ an der Uni Bremen. Um die öffentliche Diskussion nachzuholen, hatten Gerlinde Berk (SPD) und Hermann Kuhn (Grüne) zum „Forum Gentechnologische Forschung an der Universität Bremen“ in die Bürgerschaft geladen. Das Interesse war groß, der Saal gerammelt voll.
Zuerst stellten die Professoren Dietmar Blohm, Jörn Bullerdiek und Angelika Vallbracht, die an der Uni Bremen die Gentechnik nutzen oder dies planen, ihre Projekte vor. Blohm erläuterte Funktion und Analysemöglichkeiten der Gentechnik, um „mystische Unklarheiten“ abzubauen. Vallbracht legte die geplanten Experimente dar: genetische Information des Hepatitis B- (Gelbsucht) und des HIV- (AIDS) Virus soll isoliert und in Trägerbakterien eingeplanzt werden, um deren Vermehrung zu untersuchen und mögliche Impfstoffe herzustellen. Sie betonte, die Gentechnik sei nur eine Hilfe für die Virologie, kein Selbstzweck: „Aber die Gentechnik ist aus der Virusforschung nicht mehr wegzudenken.“ Bullerdiek, der Dritte im Bund beim Kampf gegen das Frankenstein-Image der Gentechnologie, erklärte den Zusammenhang von Humangenetik und Krebsforschung: „Gentechnik ist die einzige Möglichkeit zur Analyse, um bei bestimmten Tumorerkrankungen weiterzukommen. Man kann die Forschung natürlich beliebig abbrechen, aber es gibt eine Verantwortung der Wissenschaft, da weiterzumachen.“
Die Kritiker auf dem Podium sahen das anders: Hansotto Reiber, Professor am Neurochemischen Labor der Uni Göttingen, warnte vor dem Eindruck, die Gentechnik könne tatsächlich viele Problem der Medizin lösen. Der Ablauf einer Virusinfektion werde nicht so sehr durch Gene, Zellen und Moleküle beeinflußt als vielmehr durch deren Verhalten zueinander. Organismen steuerten ihr Immunsystem individuell, teilweise abhängig vom sozialen Umfeld. „Es gibt eine Reihe von falschen oder unbelegten Erwartungen für die Chancen der Gentechnologie.“ Ähnlich argumentierte Manuel Kiper von der Beratungsstelle für Technologiefolgen und Qualifizierung in Oldenburg: Er warnte vor unabsehbaren möglichen Folgen wie dies bei der Atomkraft der Fall gewesen sei und plädierte für Alternativen: statt per Genschnipselei nach einem neuen Impfstoff gegen Hepatitis zu suchen, sollte man sich auf den Arbeitsschutz in den Krankenhäusern verlegen — so könne die Erkrankungsrate beim Pflegepersonal drastisch verringert werden.
Die Diskussion schwankte zwischen einer allgemeinen Verteidigung/Abrechnung mit der Technlogie und der konkreten Frage nach dem Genlabor an der Universität. Henning Scherf erinnerte die KritikerInnen daran, daß Bremen „überhaupt keine Macht hat, mit einem Verbot des Labors eine forschungspolitische Insel zu schaffen“. Schließlich bräuchte man das auch für eine notwendige Technikfolgenabschätzung. Einwurf aus dem Publikum: „Wir brauchen doch auch kein Atomkraftwerk in Bremen, um die Atomkraft zu kritisieren.“
Bernhard Pötter
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