piwik no script img

Der Krieg in Mogadischu eskaliert

■ Neue Kämpfe in der Nähe des UNO-Hauptquartiers / Viele Somalis und angeblich auch US-Soldaten getötet

Mogadischu/Berlin (dpa/AFP/ wps/taz) – In unmittelbarer Nähe des UNO-Hauptquartiers in der somalischen Hauptstadt Mogadischu sind gestern schwere Kämpfe zwischen Blauhelm-Soldaten und mutmaßlichen Anhängern des Milizenführers General Farah Aidid ausgebrochen. Noch nie seit Beginn des Konflikts ist mit solcher Heftigkeit bis buchstäblich an die Absperrungen der zu einer Festung ausgebauten UNO-Zentrale gekämpft worden.

Die Kämpfe waren im Morgengrauen ausgebrochen, als amerikanische und pakistanische UNO- Soldaten in den Stadtviertelln Medina und Benadir in der Nähe des Hospitals nach Waffenverstecken suchten. Das Krankenhaus ist etwa einen Kilometer vom UNO- Hauptquartier entfernt, das in der früheren amerikanischen Botschaft und einem angrenzenden Universitätsgelände untergebracht ist. Dem Einsatz mit gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern ging nach Augenzeugenberichten ein Aufruf an die Bevölkerung voraus, das Gebiet zu evakuieren. Aidids politische Organisation „Somalische Nationale Allianz“ (SNA) erklärte, die US- Truppen hätten sofort nach dem Aufruf das Feuer auf die Häuser eröffnet. Insgesamt seien 37 Somalis getötet und 62 verwundet worden. Ein Fotograf berichtete, daß die US-Hubschrauber auch das Krankenhaus von Benadir mit mindestens zwei Raketen bombardiert hätten. Zahlreiche Patienten seien in Panik aus der Klinik gerannt. Ein Geschoß habe den Operationssaal zerstört.

Die UNO-Truppen stießen auf heftigen Widerstand. Ein somalischer Angestellter ausländischer Medien teilte mit, daß er mindestens drei tote US-Soldaten gesehen habe. Andere Augenzeugen berichteten von zwölf toten US- Amerikanern. UNO-Militärsprecher Major David Stockwell dementierte das und sagte, drei US- Soldaten seien verwundet worden; ihr Zustand sei „stabil“. Nach Ende der Gefechte blieb die Lage in Süd-Mogadischu äußerst gespannt. Aufgebrachte Somalis errichteten Barrikaden auf den Straßen. Mitarbeiter einer Hilfsorganisation berichteten, zahlreiche Somalis seien von US-Soldaten festgenommen worden.

Ein zweites Vietnam?

Die Eskalation folgte auf ein relativ ruhiges Wochenende, das noch unter dem Eindruck des blutigen Massakers an Somalis vom Donnerstag abend stand. Während hochrangige UNO-Beamte am Sonntag einem Trauergottesdienst für den am Donnerstag gefallenen pakistanischen UNO-Soldat beiwohnten, gab es für die weit über 100 somalischen Opfer des US- Hubschrauberangriffs keine Zeremonien. Viele von ihnen sind am Straßenrand begraben worden, und wie viele es waren, weiß noch immer niemand. US-Leutnant Mike Dallas, der bei den Kämpfen anwesende Kommandeur der Schnellen Eingreiftruppe der USA in Somalia, sagte Journalisten, er „sei nicht daran interessiert, die am Boden liegenden Leute zu zählen“. UNO-Militärsprecher David Stockwell sagte auf einer Pressekonferenz: „Wir wollen nicht in eine Vietnam-artige Leichenzählerei hineingeraten.“ Die UNO habe eine „kollektive Entscheidung“ getroffen, keine Opferzahlen zu veröffentlichen.

So weiß man bisher nur, daß bis zum Wochenende insgesamt 48 UNO-Soldaten in Somalia gestorben sind. Zählt man alle Angaben der Aidid-treuen SNA zusammen, ergeben sich weit über 1.000 somalische Tote. „Natürlich sind Hunderte von Leuten verletzt oder getötet worden“, sagt Ahmed Aptidon, Leiter des Somalischen Roten Kreuzes. „Wir können die wahre Zahl nicht feststellen.“

US-Präsident Bill Clinton nannte den US-Einsatz in Somalia gestern gegenüber der Washington Post einen Erfolg, forderte jedoch gleichzeitig andere Staaten zur Entsendung von Truppen auf. Die US-Soldaten seien bereits länger als geplant in Mogadischu stationiert, da sich keine ablösewilligen Staaten gefunden hätten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen