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„Kinder sterben an Mandelentzündung“

■ UN-Helferin Ferida Meyer berichtet aus Bosnien / 163.000 Mark Spenden aus Bremen

„Der kommende Winter wird der Welt das Problem abnehmen“, sagt Ferida Meyer von der „Gesellschaft für Frieden und Hilfe in Bosnien und Herzegowina“. Seit über einem Jahr reist die in Hamburg lebende Architektin und Psychotherapeutin, eine gebürtige Bosnierin aus Tuzla, für die UN ins Kriegsgebiet. Zwischen ihren beiden letzten Reisen nach Tuzla im Juni und Ende August seien die Menschen derart abgemagert, daß Kinder bereits an Mandelentzündungen sterben: „Sie sehen aus wie KZ-Häftlinge“, schildert Ferida Meyer das Elend. Für die Depression, die den Alltag der Menschen beherrscht, findet sie keine Worte.

Die Versorgung sei katastrophal: Derzeit erreichen im Durchschnitt nur noch dreimal pro Woche 10 Lastwagen mit je sieben Tonnen Lebensmitteln die Stadt. Diese rund 210 Tonnen pro Woche müssen für mittlerweile 1,2 Millionen Menschen reichen — der Bedarf, wie ihn die Vereinten Nationen mit 600 Gramm pro Person und Tag kalkulieren, liegt jedoch bei 720 Tonnen — täglich!

Ferida Meyer war von der Initiative „Frauen helfen Frauen“ nach Bremen eingeladen worden. Sie engagiert sich im Rahmen humanitärer Hilfe für zwei Projekte in Bosnien: für den Aufbau eines Mutter-Kind-Hauses für traumatisierte Frauen und für Brieffreundschaften/-kontakte zwischen deutschen und bosnischen Frauen und Kindern. Am Beispiel eines Heimes für 54 Neugeborene in Tuzla beschreibt Ferida Meyer, daß auch mit wenig Geld viel zu erreichen ist: Die Säuglinge — Waisen oder Kinder aus Vergewaltigungen, deren Mütter sie nicht sehen wollen — erhielten Babynahrung mit längst abgelaufenem Haltbarkeitsdatum aus den Hilfskonvois. Die Folge: schlimme Hautkrankheiten, schwere Durchfälle. Die „Gesellschaft für Frieden und Hilfe in Bosnien und Herzegowina“ engagierte daraufhin zwei Köchinnen für das Babyheim, die es seither schaffen, frische Gemüse und Säfte für die Kinder zu organisieren. Kosten: 170 Mark pro Woche, zuzüglich 20 Mark Gehalt je Köchin. Der Erfolg: Die Krankheiten sind zurückgegangen. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Liter Öl übrigens 25 Mark, jedes Ei fünf Mark, Zucker 20 Mark pro Kilo, Kaffee 130 Mark.

Ins Kriegsgebiet werden auch Nähmaschinen geschickt: damit sich die Frauen irgendwie beschäftigen können. Und damit sie durch diese Arbeit etwas produzieren, das irgendwie in die Zukunft reicht und die Gedanken ablenkt. Auch Stricknadeln und Wolle sind begehrte Sachspenden. Das haben auch die Bremerinnen von „Frauen helfen Frauen“ erfahren: Die wenigen Flüchtlinge, die nach monatelangem Hürdenlauf durch die Instanzen als „Traumatisierte“ oder „Ex-Internierte“ nach Bremen gelangten, suchen in solch kleinen Alltagsbeschäftigungen wie Stricken und Nähen ebenfalls ihren Halt.

„Die Frauen sind größtenteils nicht arbeitsfähig“, berichtet Almut Stoess vom ASB. Sie betreut die 69 bosnischen Flüchtlinge, die mittlerweile (seit April) in Bremen aufgenommen wurden. Die Frauen, so erzählt Almut Stoess, seien inzwischen immerhin soweit stabilisiert, daß sie sich alleine auf die Straße trauen und auch ihren Lebensalltag organisieren und bewältigen können. Die dazu nötige Haushaltsausstattung (Kochlöffel und —gerätschaften) wurden durch Sachspenden beschafft, da Sozialhilfe dies sowenig abdeckt wie Rollschuhe und Fahrräder für Kinder.

Nach den besonderen medizinischen Problemen gefragt, nennt die Betreuerin vor allem die anfänglichen Schwierigkeiten, bei den Frauen erst einmal Vertrauen in die Ärzte zu wecken, damit sie sich überhaupt untersuchen lassen. Und für eine oft nötige Therapie seien die traumatisierten Frauen noch längst nicht stabilisiert genug. Auf dem Weg dahin sei es jedoch hilfreich, ihnen Bewegungs-und Gymnastikangebote zu machen. So könnten sie entdecken, Empfindungen zum eigenen Körper wieder zuzulassen.

Die Bremer Initiative „Frauen helfen Frauen“ hat seit Februar 163.000 Mark Spenden erhalten. Davon gingen 30.000 Mark an das Zentrum für Frauenopfer des Krieges in Zagreb, 60.000 Mark in den (steckengebliebenen) Hilfstransport nach Lukovac, 50.000 Mark in das Projekt „Zahnambulanz“. Die erste von drei gestifteten Behandlungseinheiten soll nächste Woche in Split aufgebaut werden. ra

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