: Noch steht der Frieden nur auf dem Papier
Am Dienstag soll im Flughafengebäude von Sarajevo der Teilungsplan für Bosnien-Herzegowina von allen drei Kriegsparteien unterschrieben werden. Bis jetzt ist unklar, ob auch wirklich alle kommen.
Kann die Aufteilung Bosnien- Herzegowinas dem geschundenen Land Frieden bringen? Innerhalb der UNO weiß kein Mensch mehr, unter wie viele Waffenstillstände und Vereinbarungen die Kriegsherren im ehemaligen Jugoslawien ihre Unterschriften in den letzten zweieinhalb Jahren gesetzt haben. Sie alle waren das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben wurden.
Angesichts der aktuellen Lage stehen die Chancen, wenigstens einen echten Waffenstillstand zu erreichen, schlecht. Offenbar zerfallen die bosnischen Kriegsparteien in immer kleinere Fraktionen – und damit letztendlich auch die serbischen und kroatischen NationalistInnen, die diesen Krieg begonnen haben und führen. Die einwöchige Meuterei bosnisch-serbischer Frontsoldaten, die gestern nach Intervention ihres selbsternannten „Präsidenten“ Radovan Karadžić beendet wurde, ist ein Anzeichen dafür.
Oberflächlich betrachtet, mag der Aufstand im nordbosnischen Banja Luka als eine kurzlebige Revolte der „Frontschweine“, die sich um ihren „gerechten“ Lohn betrogen fühlten, scheinen. In Bosnien aber mehren sich die Gerüchte, nach denen die Meuterei aus dem Umfeld des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević inszeniert worden war, um sich Karadžić', seines mächtigen Gegenspielers um die Führung im serbischen Lager, zu entledigen.
Bei den bosnischen Kroaten stellt sich die Lage nicht weniger kompliziert dar: Während die Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ (HVO) des Mate Boban ihren eigenen Staat in der Westherzegowina errichten will, muß der kroatische Präsident Franjo Tudjman die Einstellung der bosnisch-kroatischen Kämpfe forcieren, um sein eigenes Land zu retten. Dort brachen in der letzten Woche erneut Kämpfe um die separatistische „Serbische Republik Krajina“ aus, nachdem kroatische Truppen zwei serbisch besetzte Dörfer erobert hatten. Die Krajina beschießt seitdem täglich kroatische Städte, in der Nacht zum Freitag feuerte kroatische Artillerie im Gegenzug auf die Krajiner „Hauptstadt“ Knin.
Auf einen Krieg an zwei Fronten aber kann sich Tudjman nicht einlassen, während Boban herzegowinische Interessen vertreten muß, um dort an der Macht zu bleiben. Daß Boban nach erneuten Verhandlungen Tudjmans mit dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović am Dienstag in Genf das muslimische „Ghetto“ von Mostar beschießen ließ, könnte das Ende der kroatischen Partei im Krieg auf dem Balkan einläuten.
Alija Izetbegovićs legale bosnische Streitkräfte wären wohl am ehesten bereit, sich auf einen Friedensvertrag einzulassen. Vorausetzung wäre eine „muslimanische“ Teilrepublik, die denjenigen KroatInnen, MuslimanInnen und SerbInnen, die sich noch immer als BosnierInnen fühlen, eine Überlebenschance läßt. Der aktuelle Teilungsplan der internationalen Vermittler David Owen und Thorvald Stoltenberg erfüllt diese Bedingung nur unvollständig, immerhin aber würden die wichtigsten industriellen Zentren im geplanten bosnischen Ministaat verbleiben. Fikret Abdić, der charismatische Vertreter der nordbosnischen Region Bihać, vertritt diesen „Frieden um jeden Preis“ schon seit einigen Monaten. Gegen die Rufe nach Rache in der leidenden bosnisch-muslimischen Bevölkerung aber hat auch er kein Rezept.
Für einen echten Frieden spricht die offensichtliche Erschöpfung der gesamten bosnischen Bevölkerung. Nicht nur in den umkämpften Gebieten, sondern auch in Regionen, in denen die Bevölkerung bis vor kurzem klar zur einen oder anderen nationalen Partei gestanden hatte, geht es den Menschen miserabel. Vielleicht wird ja den einfachen KroatInnen und SerbInnen in Bosnien- Herzegowina klar, daß es in Zukunft weder eine kroatische, noch eine serbische Schweiz auf dem Balkan geben wird, sondern nur verbrannte Erde, zerstörte Städte, Dörfer, Straßen, Schienenwege und Industrieanlagen. Und daß Menschen von Nationalstolz alleine nicht leben können. Rüdiger Rossig
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